"Hoffnung" ("Galaxis in Flammen" - Teil 7)
(von Andrea-Janina Grieskamp)
Matthew Gideon fühlte sich ausgeruht. Solange hatte er schon eine Weile nicht mehr am Stück
geschlafen. Sein erster Offizier, Lt. Matheson, sah auch etwas besser aus, als noch vor Stunden.
Sie betraten beinahe gleichzeitig die Brücke der Phoenix. Auf dem Bildschirm war die Anopheles zu
sehen, die nur wenige Meilen vor ihnen im All lag. Der schwarze Mars im Hintergrund jagte ihm
immer noch eine Gänsehaut ein.
"Wo fangen wir an?" fragte Lt. Matheson. "Wir werden mit der Crew der Anopheles einen Arbeitsplan
erstellen. Wir müssen unsere Kräfte einteilen. Ein Teil unserer Leute wird damit beginnen,
die Quartiere für die Marsbewohner vorzubereiten und die Frachträume so aufzuräumen,
daß so viel wie möglich dort eingelagert werden kann. Die Mediziner sollen ihre Koffer
packen. Mit so viel Verbandsmaterial und Medikamenten wie sie tragen können."
Auf der "Anopheles" herrschte ebenso reges Treiben. Die Crew war damit beschäftigt,
Bergungsmaterial zusammenzutragen, und alles für die Suche nach Überlebenden auf dem
Mars vorzubereiten. Die Marsbewohner, die auf die "Phoenix" wechseln sollten, hatten ihre paar
Habseeligkeiten bereit.
Marian lief den Gang hinunter, um zur Shuttlerampe, die ihnen zugewiesen wurde, zu gelangen.
Alex und Julie waren schon vorgerannt. Sie hatten ihren kindlichen Verstand und ihren Spieltrieb.
Die "Anopheles" war für sie wie ein riesiger Abenteuerspielplatz, und es gab an jeder Ecke
etwas Neues zu entdecken. Marian hoffte, bald wieder ein wenig arbeiten zu können. Sie
mußte etwas tun, um sich von den Gedanken an Roger abzulenken. Roger Wilson war auf der
"Victory" unterwegs, die zweite Katastrophe verhindern. Als Marian um die Ecke bog, wäre
sie beinahe mit Captain Gideon zusammen gestoßen. Sie war so in Gedanken gewesen, daß
sie nicht bemerkte, wie sie die falsche Shuttlerampe ansteuerte. Vor Schreck taumelte sie etwas
nach hinten, Gideon hielt sie am Arm fest und sah in ihre Augen.
"Alles okay Ma'am? Geht es ihnen gut?"
"Ja es ist alles in Ordnung, ich bin wohl nur falsch abgebogen." meinte sie und senkte ihren Blick.
Gideon sah sie fasziniert an. Ihre zierliche Gestalt und das lange schwarze Haar hatten etwas Magisches
an sich. Lt. Matheson konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er bemerkte, daß Gideon
seinen Blick nicht abwenden konnte.
"Sir, ich würde vorschlagen, wir begleiten die Dame."
"Gute Idee."
Mehr konnte er nicht erwidern und Marian wäre am liebsten im Boden versunken. Das war ihr
unsagbar peinlich. Sie konzentrierte sich und hoffte, die Stimmen ihrer Kinder wahrzunehmen, aber
da war nur ein Rauschen. Sie lief neben Matthew Gideon her. Seltsamerweise fühlte sie sich
in seiner Gegenwart sicher. Erst jetzt fiel ihr ein, daß sie sich noch gar nicht vorgestellt
hatten.
Lt. Matheson holte sie aus ihren Gedanken. "Ma'am, hier müssen sie den Gang hinunter gehen, dann
kommen sie direkt zu Shuttlerampe 2."
"Ich heiße übrigens Marian Mac Lachlan."
"Oh, entschuldigen sie, das hatte ich ganz vergessen. Ich bin Matthew Gideon, Captain der Phoenix.
Und das ist Lt. Matheson, mein erster Offizier. Ich hoffe, sie finden ein angenehmes Quartier auf
der 'Phoenix'."
Er hielt ihr die Hand hin und ihre schmale Hand verschwand ganz darin. Im selben Moment waren die
Kopfschmerzen wieder da. Unbarmherziger und schlimmer denn je. Blitze zuckten vor ihren Augen. Sie
hielt sich die Hände vor das Gesicht.
"Ma'am? Ist alles in Ordnung?" Gideon sah sie besorgt an.
"Es geht schon wieder."
Schnell verließ sie die Männer, sie hatte die Stimmen von Alex und Julie gehört.
Kaum hatte sie Gideons Hand los gelassen waren die Schmerzen schlagartig verschwunden.
Matthew Gideon und Lt. Matheson trafen sich mit Lieutenant Fields, dem dritten und derzeit
kommandierenden Offizier der "Anopheles", auf der Brücke. Er hatte, genau wie sie, seiner Crew
bereits genaue Instruktionen gegeben. Seine Männer waren bereit. Der eine Teil sollte die
Marsbewohner auf die Phoenix begleiten und ihnen beim Beziehen der neuen Quartier behilflich
sein. Der zweite Teil war bereit, sich auf die Marsoberfläche zu begeben, um nach weiteren
Überlebenden zu suchen. Der Rest war für die Sicherheit der Anopheles verantwortlich.
Sollte es zu einem weiteren Angriff der Drakh oder anderer kommen, wußte jeder, was zu tun
war. Jeder kannte seinen Befehl. Lieutenant Fields war sehr froh, sich auf diese Crew verlassen zu
können, auch wenn er Einige erst kurze Zeit kannte. Captain Gideon wollte nicht nur tatenlos
rumsitzen, deshalb übernahm er die Leitung des ersten Suchtrupps auf dem Mars. Es gab nur zwei
modifizierte Shuttles, die in den Stürmen der Marsatmosphäre fliegen konnten. Die Piloten,
die sie navigieren sollten, hatten bereits an den ersten Rettungsflügen teilgenommen. Sie
wußten, was auf sie zu kam.
Matthew Gideon saß im Shuttle und sah in die Wirbel der Marsatmosphäre, die sich um das
Shuttle bildeten. Lt. Matheson wollte es sich nicht nehmen lassen dabei zu sein. Gideon dachte an die
Begegnung mit Marian. Sie hatte ihn berührt, nicht nur körperlich. Es war etwas geschehen, das
seine Sinne durcheinander brachte. "Sir, ich muß Ihnen noch etwas sagen." brachte ihn Lt.
Matheson wieder in die Realität zurück.
"Worum geht es?"
"Die junge Frau, die wir vorhin trafen, Ms. Mac Lachlan. Sie ist eine Telepathin. Aber in Ihrem Kopf
geht etwas vor, das ich nicht einordnen kann."
"Sie haben Sie gescannt?" fragte Gideon empört.
"Es war nur zu Ihrem Schutz. Ich spürte das da etwas vor sich ging, aber ich kenne diese Art
der Gehirnaktivität nicht. Sie hatte starke Schmerzen, also ich denke, sie bekommt ein Signal
von Außerhalb, aber sie kann es nicht verarbeiten. Sie weiß womöglich nicht einmal,
daß sie Telepathin ist."
"Wir müssen mit ihr reden sobald wir wieder auf der Phoenix sind."
"Yeah, Sir."
Durch das Gespräch war die Zeit wie im Fluge vergangen und das Shuttle setzte bereits zur
Landung auf.
In einem alten Archiv wurden Aufzeichnungen über den Bau der ersten Gebäude gefunden.
Leider gab es keine aktuellen Pläne, so daß auch niemand sagen konnte, wo genau sich die
Schächte und Luftschleusen zu dem System unter der Stadt befanden. Eine Möglichkeit, war
unter den großen Gebäuden zu suchen.
Nach zwei Stunden hatten sie noch immer keinen möglichen Einstieg gefunden, und es war bereits
Mittag geworden, als endlich jemand rief: "Sir, hier! Hier unten ist eine intakte Luftschleuse. So
wie es aussieht kann man sie nur von hier draußen öffnen."
Gemeinsam wurden die Gesteinsbrocken weggeschafft. Langsam ging der erste Sauerstoffvorrat zur Neige,
die Männer arbeiteten jedoch unermüdlich weiter.
"Sir, wir sollten zum Shuttle zurück und die Sauerstoffpatronen austauschen." meinte
Lt. Matheson zu seinem Vorgesetzten.
"Wir können nicht so kurz vor unsrem ersten Erfolg aufhören."
"Sir, bitte!"
"Okay, dann gehen Sie mit Mac Dowell zum Shuttle und holen die Ersatzpatronen. Wir machen hier weiter."
Lt. Matheson hatte zwar ein ungutes Gefühl dabei, aber er wußte daß Mathew Gideon keine
Widerrede zuließ.
"Wir sollten uns beeilen!" rief er zu Mac Dowell.
Im Shuttle erwartete sie die Nachricht, daß auch das zweite Team erfolgreich gewesen war. Sie
hatten neun Erwachsenen und ein Kind retten können. Sie waren teilweise in kritischem Zustand.
Leider hetten sie auch viele Tote gefunden, die sie dort gleich begruben. Lt. Matheson teilte der
Anopheles und der Phoenix mit, daß sie eine Luftschleuse gefunden hatten, jedoch noch mindestens
zwei Stunden bräuchten, um überhaupt in den Schacht hinein zu gelangen. Was sie dort
erwartete, wußte niemand.
Als Lt. Matheson und Mac Dowell zurückkamen, ließ sich das erste Schott bereits öffnen.
Unsagbarer Gestank schlug ihnen entgegen, den Sie sogar durch ihre Schutzanzüge
wahrnahmen.
'Sie sind tod.' schoß es Gideon durch den Kopf.
'Das darf nicht sein!'
Er begann hektisch zu werden und auch die anderen arbeiteten schneller. Als sich das Hauptschott
öffnen ließ, bot sich ein Bild des Grauens. Vor dem Schott lagen viel tote Menschen.
Sie konnten es nicht öffnen und sind wohl davor erstickt. Es war kein Summen von Belüftern
zu hören. Nichts.
"Verflucht, laßt uns nachsehen, ob es nicht doch vielleicht Überlebende gibt!" ordnete
Matthew Gideon an.
Die Beleuchtung, die durch die noch laufenden Generatoren erzeugt wurde, war sehr schwach. Sie
konnten kaum ihre Scanner erkennen. Mit kleinen Lithiumlampen in der Hand liefen sie durch die
Gänge, aber die Hoffnung schwand.
Plötzlich rief Lt. Matheson: "Schnell, kommen sie hierher, ich glaube hier ist jemand drin."
Captain Gideon und Officer Mac Dowell kamen angerannt. Mac Dowell kannte den
Verschlußmechanismus und hatte mit wenigen Handgriffen die Tür geöffnet.
Es war eine Art Vorratsraum mit vielen leeren Regalen. Es gab nur ein fades Licht durch eine kleine
Notleuchte über der Tür. Die drei Männer sahen sich an.
"Jeder nimmt einen Gang." befahl Captain Gideon.
Im Strahl seiner Lampe sah er nur eingestaubte Regale. Durch die Erschütterungen waren viele
Steine und Putz von den Wänden gefallen. Er hatte schon fast das Ende des Ganges erreicht, als
sein Scanner anfing zu regieren. Hinter dem letzen Regal saß ein Mann, der ein Kind im Arm
hielt.
"Lt. Matheson, schnell!" rief er in den Raum. Sie waren bewußtlos, ihre Lebenszeichen schwach,
aber noch konstant.
Officer Mac Dowell holte die Atemmasken aus dem Rucksack. Die kleinen Sauerstoffpatronen öffneten
sich und ihre Lungen füllten sich mit dem Sauerstoff.
"Sir, wir müssen zurück."
"Ich weiß." antworte Gideon. "Officer Mac Dowell, sie nehmen den Mann ich trage das Kind.
Lt. Matheson, sie sehen weiter hinten nach, ob hier noch weitere Lebenszeichen sind, dann kommen sie
sofort nach! Wir treffen uns in 15 Minuten am Shuttle."
Für den knapp zwei Meter großen Mac Dowell war es ein Leichtes, den Mann über die
Schulter zu legen. Er schien Bergarbeiter zu sein, denn seine Kleidung trug die Zeichen. Der Junge
in Matthews Arm war etwa fünf Jahre alt. Sein Gesicht war schmal und blaß, er hatte kurze
weißblonde Haare. Captain Gideon drückte das Kind an seine Brust und lief zum Schott,
vorbei an den Toten.
'Ob seine Mutter dabei ist' dachte er auf dem Weg nach draußen.
In Shuttle wickelte er ihn in eine Decke. Auch Officer Mac Dowell kam herein und legte den Mann ab.
Die Ähnlichkeit war unverkennbar.
Zehn Minuten später kam Lt. Matheson und schüttelte den Kopf. Die Toten würden sie
später beerdigen. Es war schon spät und sie waren erschöpft.
"Trotzdem ist es ein kleiner Erfolg. Wir werden morgen weitersuchen. Vielleicht kann uns dieser
Mann weiterhelfen."
"Hoffen wir es ." antwortetet Lt. Matheson.
"Hoffnung ist die Nahrung unserer Seele." meinte Officer Mac Dowell und Gideon sah ihn betroffen an.
Auf der Phoenix erwartete sie bereits ein Ärtzteteam. Sie waren direkt zur Phoenix geflogen, da
hier die Behandlungsmöglichkeiten besser waren. Nach einer ersten Untersuchung stand fest, daß
sie keine schweren Verletzungen davongetragen hatten. Sie litten nur unter dem Sauerstoffmangel, aber es
war nicht so bedrohlich, wie zuerst angenommen. Offensichtlich schloß die Tür des Raumes
gut.
"Wenn er auffwacht rufen Sie mich." sagte Matthew Gideon zur Dr. Morison und deutete auf den Mann.
"Kennen Sie ihn?"
"Nein Captain. er gehörte zu einem anderen Distrikt. Sie sehen es an der Kleidung. Bei uns
trugen die Arbeiter blaue Kleidung, seine ist braun."
Gideon nickte.
"Ich muß duschen."
"Sie sollten auch schlafen. Stellen sie den Sauerstoffgehalt der Luft in ihrem Quartier höher
ein. Es wird ihnen gut tun."
Gideon nickte und verließ den Raum. Auf dem Weg zu seinem Quartier hoffte er, Marian über
den Weg zu laufen. Es war seltsam, obwohl er sie erst einmal gesehn hatte glaubte er, sie ein Leben
lang zu kennen. Es gab schon einige Frauen in seinem Leben, aber das war anders. Er war faszieniert.
Die Schalldusche brauchte eine Weile, bis er sich wieder sauber fühlte. Den Gestank würde
er noch einige Tage in der Nase haben, aber daran ließ sich nichts ändern. Es ärgerte
ihn, daß sie nicht noch mehr Überlebende gefunden hatten. Aber in Anbetracht der Situation
war es eher ein Wunder gewesen, nach so vielen Tagen überhaupt noch jemanden lebend zu bergen.
Er atmete tief durch und öffnete einen Kanal zu Lieutenant Fields. "Lieutenant, ich schlage vor
wir arbeiten in Schichten weiter. Es gibt noch einen Hoffnungsschimmer."
Ihm fielen die Worte von Mac Dowell ein.
"Haben Sie fähige Leute, die weitere Suchtrupps leiten können? Die Lichtverhältnisse
werden sich auf Grund der Stürme eh nicht vebessern."
"Sie haben Recht. Ich habe bereits einigen meiner Männer Instruktionen gegeben. Wir brauchen nur
noch die Koordinaten, an denen die Suche fortgesetzt werden soll."
"Tja, das ist ja das Problem, wir wissen nicht genau, wo wir weiter machen müssen. Das Beste
wird sein, wir fragen die überlebenden Bergleute nach Anhaltspunkten."
"Gute Idee."
Lieutenant Fields schloß den Kanal und Matthew Gideon begab sich wieder auf die Brücke der
Phoenix.
Auch Lt. Matheson war da. "Sir, ich konnte nicht schlafen. Ich sah immer wieder den Berg der Toten."
"Sie müssen davon Abstand nehmen. Wir konnten es nicht mehr verhindern. Es ist nicht unsere
Schuld."
"Ist es nicht?" fragte Matheson und Gideon schaute ihn irretiert an.
"Wissen sie, ich hatte damals die Wahl und ich habe mich für die Arbeit auf einem Raumschiff
entschieden. Die andere Möglichkeit war, beim Wachpersonal auf dem Mars zu arbeiten. Ich wäre
dann unter den Toten."
"Sie müssen nicht denken was wäre wenn, sondern was ist. Sie leben und sie gehören zu
meiner Crew. Sie sind nicht nur mein erster Offizier, nein, sie sind auch mein Freund. Es wäre ein
Verlust gewesen, sie nicht kennengelernt zu haben. Um so erfreuter bin ich, sie auch in dieser
schwierigen Situation an meiner Seite zu wissen."
"Danke."
Lt. Matheson sah etwas verwirrt aus.
"Ich werde mal zum Medlab gehen und nach den heute Geborgenen sehen." sagte Gideon beim Verlassen
der Brücke.
"Gut dann werde ich die Aktivitäten der Shuttles verfolgen. Schlafen kann ich jetzt
sowieso nicht."
Giedeon war bereits verschwunden. Er hatte ihn einen Freund genannt und John Matheson war stolz.
Matthew Gideon ging langsam durch die Gänge der Phoenix. Solch ein Gewimmel war hier schon lange
nicht mehr gewesen. Und obwohl es schon spät war, liefen die Leute rege hin und her. Sie bezogen
ihre Quartiere und trugen Dinge durch die Gegend.
Marian hatte für sich und ihre Kinder zwei nebeneinander liegende und miteinander verbundenen
Quartiere ausgesucht. Alexander war natürlich hellauf begeistert, denn er hatte schon immer
den Wunsch, einmal als Pilot oder Techniker auf einem Schiff der Erdallianz zu arbeiten. Aber das
konnte er seiner Mutter nicht sagen! Sie war so schon andauernd wegen irgendwelcher Dinge
besorgt. Nur an sich selbst dachte sie zu wenig!
Marian war gerade dabei ihre paar Habseeligkeiten auszupacken als sie wieder diese unbarmherzigen
Kopfschmerzen spürte. Nur war es diesmal anders als sonst, und noch bevor sie jemanden rufen
konnte, brach sie bewußlos zusammen.
Alexander betrat das Appartement, und sah seine Mutter auf dem Boden liegen.
"Mom, sag doch was. Bitte Mom."
Er begriff schnell und rannte so wie er nur konnte aus dem Raum in Richtung Fahrstuhl, genau
in die Arme von Cpt. Gideon.
"Wohin so eilig mein Junge?"
"Meine Mom, sie braucht dringend Hilfe, bitte!" sagte Alex und hatte Tränen in den
Augen.
"Wo denn?" fragte Gideon während Alex ihn mit sich zog.
Als er Marian auf dem Boden liegen sah, stockte sein Atem.
"Was ist passiert?" fragte er Alex als er sich über sie beugte. Seine rechte Hand
griff zum Kommunikator: "Hier ist Capitain Gideon. Ich brauche dringend eine Doktor in
Appartment 407!"
Er berührte ihren Hals, um den Puls zu fühlen, und bemerkte, daß sie beinahe
glühte.
"Kannst Du mir sagen was sie hat?" fragte er Alex.
"Ich weiß nicht. Sie sagt nie, wenn ihr was weh tut. Aber sie hat in den letzten Tagen kaum
etwas gegessen. Das meißte hat sie uns gegeben."
"Uns?"
"Na Julie und mir. Julie ist meine kleine Schwester."
'Toll', dachte Gideon, 'verheiratet und
zwei Kinder.'
"Wo ist Euer Vater?"
"Der ist schon lange tod." antwortete Alex und sah betrübt zu Boden.
"Tut mir leid." sagte Gideon, "Ich heiße Matthew."
"Aber sie sind doch der Captain?" fragte Alex.
"Na und, heißt das wir dürfen nicht Freunde sein?!"
Alexander war stolz. Er durfte Matthew zum Captain sagen. Matthew deckte Marian mit seiner
Jacke zu, während er ihr Gesicht anschaute. Warum lernte er sie auf solche Weise
kennen?
Dr. Morison, der ebenfalls auf der Phoenix untergebracht war, kam so schnell er konnte.
"Alex was ist passiert?" fragte er, aber Alex antworte nicht.
Gideon stand in der Tür und konnte nur hilflos mit ansehen, wie Dr. Morison Marian
untersuchte.
"Ich glaube, sie hat sich einfach übernommen." sagte er. "Sie muß dringend auf
die Krankenstation." Zwei Sanitäter kamen mit einer Tragbare und nahmen sie mit.
Alexander war durchaus in der Lage sich um eine kleine Schwester Julie zu kümmern, aber
wie sollte er ihr das erklären?
Julie hielt ihre Puppe im Arm als sie hereinkam. "Hallo Alex, wo ist Mom?"
Alexander nahm sie in den Arm. "Mama ist krank." sagte er, und Julie fing sofort an zu
weinen.
"Bitte nicht weinen, du weißt, ich mag das nicht." sagte er mit fester Stimme, dabei war
er meilenweit davon entfernt, tapfer zu sein.
Dr. Morison gab Marian eine Injektion zur Stabilisierung des Kreislaufes, und begann, die
Blutproben zu untersuchen. Aber es war alles normal. Nur ihr EEG war außergewöhnlich.
Das mußte genauer untersucht werden.
Capitain Gideon sah durch die Glasscheiben des Med-Labs und konnte ihr zartes Gesicht erkennen.
Sein Herz schlug bis zum Hals, als Dr. Morison auf ihn zu kam.
"Wie geht es ihr?"
"Ich kann noch nichts genaues sagen. Sie liegt im Koma, und ich kann nicht sagen warum. Ihr EEG ist
außergewöhnlich. Vielleicht liegt darin des Rätsels Lösung."
"Kann ich irgendwie helfen? Die Phoenix ist momentan sowieso auf Eis gelegt." fragte Gideon schnell.
"Könnten sie jemanden finden der sich um die Kinder kümmert? Sie sind alles, was sie hat, und
Julie ist noch zu klein..."
"Ich werde sehen, was ich tun kann." sagte Captain Gideon, und ging in Richtung Brücke.
Lt. Matheson sah seinen Vorgesetzten an. "Wollen Sie mir sagen, was los ist?"
"Die Frau, die wir vor der Shuttlerampe trafen. Sie ist sehr krank, und der Arzt weiß nicht so
recht, was los ist. "
Matthew Gideon sah zur Seite, es war eine ungewöhnliche Frage und er hatte Scheu sie zu
stellen.
"Könnten sie sie scannen? Ich weiß, es ist nicht so einfach erlaubt, aber Dr. Morison meint
ihre Hirnströme wären außergewöhnlich. Vielleicht finden sie etwas."
"Ich kann es versuchen. Ich bin in einer halben Stunde dort."
"Danke."
Matthew legte seine Hand für eine Sekunde auf John Mathesons Schulter, bevor er ging. Alexander
und Julie standen immer noch vor der Krankenstation der Phoenix. "Ma' hatte oft Kopfschmerzen, aber
sie hat nie geklagt."
Er sah durch die Glasscheibe der Tür, und sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
"Es wir schon wieder werden. Da bin ich mir sicher."
Julie versteckte ihr Gesicht in Alexanders Schoß.
"Ich würde sagen, ihr kommt erst mal mit mir."
"Das wäre klasse." meinte Alex begeistert. Erst jetzt hob Julie ihren Kopf. Sie war genauso
zauberhaft, wie ihre Mutter.
"Ich werde nicht allzu viel Zeit für euch haben. Ein Raumschiff zu leiten bedeutet viel Arbeit,
aber vielleicht könnt ihr mir ja helfen."
Julie wischte sich die Tränen mit dem Ärmel weg. "Ich kann schon Lesen."
"Na, das wird helfen." antwortete Matthew lächelnd, und nahm sie an die Hand.
Auf der Brücke sah Lt. Matheson die drei erstaunt an. "Ich habe etwas Verstärkung
mitgebracht", meinte Gideon nur.
"Ist es nicht schon etwas spät für die beiden?" Matthew sah die beiden an.
John hatte recht. "Wir wollen uns auch nur mal ansehen, wie es hier aussieht", sagte Alex schnell.
"Ich bin Alexander und das ist Julie, aber sie können ruhig Alex sagen. Ma' sagt nur Alexander,
wenn ich was angestellt habe."
Er hielt Lt. Matheson die Hand hin, und dieser griff lächelnd zu.
"Ich heiße John, und wenn ihr Fragen habt, kommt ihr zu mir. Dann kann der Captain in Ruhe
arbeiten."
"Waas? Du bist der Captain?" fragte Julie ganz erstaunt. "Wow!"
"Ja. Aber nun ist es Zeit für euch, etwas zu schlafen."
"Oh schade."
"Morgen Früh seid ihr auch noch hier an Bord. Und wir werden noch genügend Zeit miteinander
verbringen." Lt. Matheson winkte den Kindern nach.
Matthew legte Julie in sein Bett, und noch bevor er die Tür erreicht hatte, war sie eingeschlafen.
Alex suchte in ihrem Quartier ein paar Sachen zusammen und ging mit Matthew Gideon zurück.
"Kann ich Ma' noch gute Nacht sagen?"
"Ja klar."
Alex betrat den Raum allein. Matthew schluckte trocken herunter. Er war sehr in Sorge, und es gab noch
mehr Probleme an Bord. Hoffentlich würden ihm die Dinge nicht über den Kopf wachsen.
Alexander gab seiner Mutter einen Kuß auf die Stirn. Dann kniete er sich neben ihr Bett und
betete.
So etwas hatte Matthew schon lange nicht mehr gesehen. An welchen Gott sie wohl glaubten? Welcher
Gott konnte so grausam sein, und das alles zulassen? Die Erde wurde einfach so ausgelöscht,
und mit ihr Milliarden Menschen getötet. Der Mars binnen Minuten beinahe unbewohnbar gemacht.
Welcher Gott war das?
Er stellte sich an die Wand vor der Tür bis Alex fertig war. In seinem Quartier legte sich
Alexander neben seine Schwester.
"Und Du?"
"Ich schlafe nachher auf den Stühlen. Ich werde noch mal auf die Brücke müssen."
"Gute Nacht", sagte Alex.
Gideon traf Lt. Matheson auf dem Weg zum MedLab.
"Sie wissen daß ich keine allzu hohe Stufe habe?"
"Ja, aber einen Versuch ist es wert."
... FORTSETZUNG FOLGT ...
Andrea-Janina Grieskamp
06.10.2000
www.andrea-janina-grieskamp.de
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