Rhiannons Geschichte (2. Band): 10. Kapitel
(von Jennifer Fausek)
Meister Draal flog für einige Zeit nach Babylon 5, um Delenn zu besuchen. Er war ihr Mentor gewesen, als sie noch ein Kind gewesen war.
Rhiannon nutzte die gute Gelegenheit und gab Draal einen kleinen Datenkristall mit einer Nachricht für Delenn mit.
Ria erzählte diesmal viel von ihrer Hochzeit mit William und ihrem gemeinsamen Leben. Dann fügte sie wie üblich einen ausführlichen Bericht über die Aktivitäten der Schatten und Beobachtungen in den Randgebieten hinzu.
Zwei Wochen später hätte Draal eigentlich zurückkommen sollen. Rhiannon erwartete ihn schon mit einer Nachricht von Delenn. Doch schließlich war es doch ,nur' ein Bote, der sie im Lager der Anla?shok aufsuchte, als sie gerade dabei war, im Tempel einige Schriften zu studieren.
"Anla?shok Riann?" fragte der Bote, als er an sie herantrat.
Ria blickte den jungen Minbari an und lächelte dünn. "Die bin ich. Wie kann ich dir helfen?"
"Ich habe für dich eine Nachricht von Babylon 5", erwiderte der Bote und händigte ihr einen Datenkristall aus.
"Vielen Dank." Rhiannon runzelte nachdenklich die Stirn, als sie den durchsichtigen Kristall an sich nahm. "Du wirst drüben im Hauptgebäude zu essen, zu trinken und Verpflegung für deine weitere Reise bekommen." Sie winkte eine Auszubildende her. "Die Rekrutin wird dir geben was du benötigst."
"Sehr freundlich von dir, danke." Der Bote verneigte sich zum Abschied vor Ria und folgte dann der Auszubildenden nach draußen.
Rhiannon zog sich in eine Nische zurück, wo sie sich die Botschaft in aller Ruhe und ungestört ansehen konnte.
"Hallo Ria", sagte Delenn in dem Videobrief. "Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu deiner Hochzeit. Ich bedauere es, dass ich nicht dabei sein konnte. Ich hoffe aber, dass ich deinen Mann bald einmal kennenlernen werde.
Doch nun einmal zu wichtigeren Dingen: Wie du sicher schon gemerkt hast, ist Draal nicht nach Minbar zurückgekommen. Das wird er vermutlich auch nicht wieder. Draal wird bei uns, oder besser gesagt auf Epsilon III, dem Planeten unter uns, bleiben.
Epsilon III ist nicht so unbewohnt wie wir immer dachten. Dort befindet sich eine Technologie, von der wir bis jetzt nicht sehr viel wissen. Womöglich können wir sie als Waffe im Kampf gegen die Schatten verwenden.
Ein alter Mann fungierte bisher als Wächter für die Technologie, aber er starb. Deshalb hat Draal nun seinen Platz eingenommen.
Und was ist sonst noch geschehen?" Delenn biss sich für einen Moment auf die Lippen. "Babylon 4 ist wieder aufgetaucht, wenn auch nur für kurze Zeit."
Rhiannon blinzelte ungläubig.
Insgesamt waren fünf Babylon-Stationen gebaut worden. Die ersten drei waren Sabotage zum Opfer gefallen und explodiert.
Die vierte Station war vierundzwanzig Stunden, nachdem sie vollständig in Betrieb genommen war, spurlos verschwunden. Und keiner wusste, was mit Babylon 4 geschehen war.
Nach diesem Vorfall war schließlich Babylon 5 als letzter Versuch gebaut worden, und diesmal hatte es geklappt. Wider Erwarten war die Station weder sabotiert worden noch irgendeinem mysteriösen kosmischen Phänomen zum Opfer gefallen.
Auf dem Bildschirm hatte Delenns Abbild inzwischen einen ernsten Gesichtsausdruck angenommen. "Ich befürchte, das Erscheinen von Babylon 4 ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Dunkelheit nun kommen wird. Bald werden sich die alten Prophezeiungen erfüllen."
Delenn wirkte nicht sehr glücklich. "Falls du es noch nicht wissen solltest: Ich werde irgendwann in nächster Zeit nach Hause kommen. Der Graue Rat will mit mir sprechen. Ich will ihn davon überzeugen, dass wir uns jetzt endlich für den Krieg rüsten müssen und nicht mehr nur stille Beobachter sein dürfen." Sie lächelte freundlich. "Und dich werde ich natürlich auch besuchen kommen.
Also dann, bis bald. Ich freue mich schon jetzt auf unser Wiedersehen, auch wenn es nur für kurze Zeit sein wird."
Der Bildschirm wurde dunkel. Rhiannon nahm den Datenkristall aus dem Abspielgerät und steckte ihn in die Tasche ihre Uniform.
Sieht aus, als behielte ich Recht, dachte Ria. Delenn will wieder zurück nach Babylon 5.
Zuhause bemerkte William sofort die seltsam gedrückte Stimmung seiner Frau, sagte zunächst aber nichts.
Erst als sie alleine im Schlafzimmer waren und Rhiannon gedankenverloren ihr Haar bürstete, beschloss er mit ihr zu sprechen.
"Ist irgendetwas geschehen?" fragte Will.
Ria zuckte zusammen. "Es ist nichts", log sie nicht besonders geschickt. "Ich habe heute nur eine Nachricht von Delenn, meiner Pflegemutter, bekommen. Und darüber habe ich nachgedacht."
"Aber du willst natürlich nicht mit mir darüber reden", stellte William nüchtern fest.
"Sie will uns bald besuchen." Ria sah ihn an. Ihre Augen blitzten dabei herausfordernd auf. Sie verabscheute diese Sticheleien zutiefst. "Sie freut sich schon darauf, dich endlich einmal kennen zu lernen."
Will wusste nicht genau, was er davon halten sollte. "Ich werde also meine Schwiegermutter kennen lernen?" Ihm war mulmig bei dem Gedanken.
Rhiannon konnte sich das Lachen nicht ganz verkneifen. "Keine Bange, so schlimm wird es schon nicht werden. Sie wird dich schon nicht umbringen." Sie begann damit ihr Haar zu flechten. "Du wirst sehen, du wirst sie bestimmt mögen."
William ging nicht weiter darauf ein. "Aber Delenn hat dir ganz sicher nicht nur eine Nachricht geschickt um dir zu sagen, dass sie uns besuchen kommt. Das hätte sie auch über die öffentlichen Kom-Kanäle tun können. Schließlich ist das doch sicher kein Geheimnis. Was hat sie dir sonst noch erzählt? Schlechte Neuigkeiten?"
"Das kann ich dir nicht sagen." Ria wich dem Blick ihres Mannes aus. "Und das weißt du. Oder glaubst du etwa, es macht mir Spaß, Geheimnisse vor dir zu haben?!"
"Dann ändere es doch endlich, verdammt noch mal!" rief Will aufgebracht. "Erzähle mir einfach alles, dann brauchst du keine Geheimnisse mehr vor mir zu haben!"
"Das würde ich ja gerne!" schrie Rhiannon zurück. "Aber ich will dich auf keinen Fall verlieren! Wenigstens einer von uns sollte leben, damit Zora zumindest einen Elternteil hat!"
"Wenn das so weitergeht wirst du mich aber eines Tages verlieren, weil ich nämlich so nicht mehr lange weitermachen kann, trotz aller Liebe!" knurrte William. "Außerdem: Wer sagt denn, dass ich sterben werde?"
"Ich sage das." Ria versuchte wieder etwas ruhiger zu sprechen. "Was ich tue wird mich höchstwahrscheinlich früher oder später das Leben kosten, das wusste ich von Anfang an. Und ich will nicht den Rest meines Lebens mit dir streiten, sondern das Beste aus der Zeit machen, die mir bleibt."
Will machte eine resignierte Geste. "Ich will mich auch nicht ständig mit dir streiten. Nur macht es mich verrückt, dass du nicht vollkommen offen zu mir bist und nicht dein ganzes Leben mit mir teilst. Ich habe dann immer das Gefühl du betrügst mich da um etwas."
Rhiannon blieb die Luft weg. Rasch befestigte sie ihren Zopf. Dann umarmte sie ihren Mann und küsste ihn wieder und wieder.
"Dich in irgendeiner Weise zu betrügen liegt ganz bestimmt nicht in meiner Absicht", flüsterte sie. "Ich verspreche dir, eines Tages werde ich dir alles erzählen. Zuerst müssen wir aber die Entscheidung der Räte abwarten. Vorher darf ich dir nichts sagen. Wenn ich es doch täte würde ich wegen Hochverrat angeklagt und zurecht verurteilt. Ich habe einen Eid geschworen..."
William sah sie schockiert an. "Tut mir Leid, ich will dich ganz bestimmt nicht in Gefahr bringen. Ich werde warten, auch wenn es mir nicht leicht fällt. Ich vertraue dir."
"Und ich dir." Sie hielt sein Gesicht in ihren Händen. "Vergiss das bitte niemals."
Er gab keine Antwort. Er nahm ihre Hände und küsste sie noch einmal. Er zog sie gleichzeitig mit sich zum Bett.
"Und du wirst wirklich mit den Räten reden, damit du mir alles sagen kannst?" fragte Will, als sie später aneinandergekuschelt und nackt unter der Decke lagen.
"Ja, ich werde mit den betreffenden Leuten reden", entgegnete Rhiannon schläfrig. "Da wir verheiratet sind dürfte es nicht schwer sein, die Erlaubnis zu bekommen. Aber etwas muss dir klar sein: Wenn du die Wahrheit erst einmal kennst, gibt es kein zurück mehr. Du solltest dir also gut überlegen, ob du sie hören willst."
Will drückte sie ein wenig fester an sich. "Denkst du nicht, ich hatte inzwischen genug Zeit um darüber nachzudenken?"
"Ich weiß nicht, aber du wirst etwas Zeit haben, um nachzudenken. Es könnte noch eine Weile dauern", murmelte Ria.
"Das macht nichts. Ich warte schon so lange."
Fortsetzung: Kapitel 11
Jennifer Fausek
30.10.2002
Website von Jennifer Fausek
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