Rhiannons Geschichte (2. Band): 30. Kapitel
(von Jennifer Fausek)
Ihren ersten Hochzeitstag hatten Rhiannon und William romantisch verbracht. Sie waren allein ans Meer gefahren.
Den ganzen Tag hatten sie an einem abgelegenen Strand verbracht. Mit dem Flieger hatten sie nur eine halbe Stunde gebraucht, um die Küste zu erreichen.
Sie hatten es genossen, einige Stunden lang nicht an ihre Familie oder ihre Pflichten denken zu müssen. Es gab nicht viele Gelegenheiten, um so eine Ruhe zu genießen.
Sie waren viel geschwommen, und sie waren auch getaucht. Später waren sie auf die einsamen Klippen ein wenig abseits des Strandes geklettert, und sie hatten sich dort ausgiebig gesonnt. Die Wärme der Sonne brannte noch immer in ihnen.
Den ganzen Tag lang war es relativ warm gewesen. Dafür tobte nun in der Nacht ein furchtbares Gewitter über Yedor.
"Ich werde sobald wie möglich nach Arisia III fliegen", sagte William, während er und Rhiannon sich zum Schlafengehen fertig machten. "Vielleicht kann ich Marcus ja dazu überreden, dass er zu uns kommt oder uns zumindest hilft.
Und wenn nicht, dann habe ich ihn wenigstens wieder einmal gesehen. Es ist sowieso höchste Zeit, dass ich ihn endlich einmal besuche. Ich will ihm von dir und Zora erzählen."
"Dann fliegen wir doch alle drei", meinte Ria. Sie war gerade dabei ihr Haar zu bürsten. Es war immer noch ein wenig feucht.
Ein lauter Donner krachte.
"Das halte ich für keine gute Idee, Schatz."
Rhiannon hörte auf sich zu bürsten. William flocht ihr das Haar nun zu einem lockeren Zopf für die Nacht.
"Ich weiß nicht, wie mein Bruder reagieren wird, wenn ich plötzlich bei ihm auftauche", fuhr Will fort. "Deshalb möchte ich ihn zuerst alleine besuchen, um einige Dinge mit ihm zu klären. Du weißt doch, wir haben uns lange nicht gesehen. Außerdem verstehen wir uns im Moment nicht besonders gut."
"Tut mir Leid, daran habe ich gar nicht gedacht", gab Ria zu. "Aber ich würde deinen Bruder gerne kennenlernen."
"Das wirst du, sobald ich mit ihm geredet habe." William befestigte den Zopf mit einem Band, das so schwarz war wie ihr Haar.
Dann gab er seiner Frau von hinten einen Kuss auf die Wange und umarmte sie dabei. Er atmete den frischen Duft ihres Haares ein. Es roch angenehm nach ihrem Lieblingsshampoo mit Rosen und auch ein wenig nach Meerwasser.
"Aber lass uns jetzt zu Bett gehen. Wir haben morgen viel zu tun."
Rhiannon verzog das Gesicht und lachte dann. "O ja, das wird noch lustig." Sie drehte sich in der Umarmung um und küsste Will zärtlich. "Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich einmal dabei helfen werde, Anla'Shok auszubilden."
"Ich auch nicht." Will ging mit ihr eng umschlungen zum Bett hinüber. "Und um ehrlich zu sein, macht es mir sogar Angst, dass ich jetzt quasi ein Lehrer sein soll. Ich habe meine Ausbildung doch selbst erst vor kurzem beendet." Er runzelte nachdenklich die Stirn. "Das Training ist verdammt hart..."
Ria nickte. "Ich weiß, du warst zeitweise ziemlich fertig."
"Ja." William sah sie liebevoll an. "Wenn du nicht mit mir über den Weg des Herzens geredet hättest, hätte ich es wahrscheinlich nicht durchgestanden. Und wenn die Meditation nicht gewesen wäre. Ich meditiere sehr gerne. Ich denke, die Anla'Shok sind der Weg meines Herzens, weil ich es so will. Aber ich weiß nicht, ob es meine Berufung ist."
Rhiannon erwiderte den Blick ihres Mannes. "Bist du unglücklich?"
"Nein, nicht wirklich", sagte er langsam. "Ich habe das Richtige getan. Ich liebe die Arbeit als Anla'Shok, und ich diene der Truppe gerne. Aber ich denke hin und wieder, es wäre auch schön gewesen, wenn ich eine Ausbildung im Tempel hätte machen können."
Ria zuckte die Achseln. "Niemand verbietet dir, das zu tun."
"Ja, nur ist das für einen Anla'Shok nicht üblich", entgegnete Will. "Wenn ich das wirklich tun wollte, müsste ich die Anla'Shok wahrscheinlich verlassen. Und das möchte ich nicht, jedenfalls nicht im Moment."
Er streichelte sie sanft. Er wusste genau, wie sie das am liebsten mochte. "Ich denke, es gibt etwas besseres um diesen Tag ausklingen zu lassen..."
Ria lächelte und schmiegte sich an ihren Mann. Sie küsste ihn liebevoll. "Stimmt, wir sollten diesen Abend genießen."
Später kuschelte sich Rhiannon an Will. Er hielt sie von hinten mit den Armen umfasst, und so schliefen sie zufrieden ein.
Das Gewitter ging mit unverminderter Heftigkeit weiter. Sie schliefen tief und fest, als ein besonders lauter Donner Ria hochschrecken ließ.
Müde ließ sie sich wieder zurücksinken und schloss die Augen.
Doch da wurde die Tür zum Schlafzimmer leise geöffnet. Zora kam hereingeschlichen. Sie hatte eines ihrer zahlreichen Stofftiere im Arm.
"Mama, Papa, kann ich zu euch kommen?" fragte das Kind.
"Ja, ja, komm nur", murmelte Rhiannon. Sie streckte Zora, die an ihrer Seite des Bettes stand, die Hände entgegen, um sie aufs Bett zu heben.
Ria ächzte, als die Kleine mit Schwung über sie hinweg kletterte. Sie drehte sich zu Zora und Will um, damit sie mehr Platz hatte und nahm das Kind in die Arme.
Nun erwachte auch William. Er strich seiner Tochter halb schlafend übers Haar, küsste sie auf die Schläfe und lächelte.
"Hast du Angst vor dem Gewitter, Krümel?" murmelte er.
"Ja, es ist so laut", entgegnete Zora mit dünner Stimme.
"Versuch zu schlafen." Will machte die Augen zu. "Das Gewitter wird bald vorüber sein."
Als Rhiannon und William am nächsten Morgen erwachten, hatten sie beide Rückenschmerzen. Zora hatte sich so breit gemacht, dass die Eltern kaum mehr Platz zum schlafen gehabt hatten.
Die neuen Rekrutinnen und Rekruten - sowohl die Minbari als auch die Menschen - waren bereit hart zu arbeiten und ihr bestes zu geben.
Nach anfänglicher Zurückhaltung waren auch die Menschen von den voll ausgebildeten Anla'Shok angenommen worden. Selbst wenn sie sich erst kurze Zeit kannten, begannen sich bereits die ersten völkerübergreifenden Freundschaften zu bilden.
Manche menschlichen Gesten wie zum Beispiel Händeschütteln oder ähnliche Kleinigkeiten waren sehr schnell auch von den Minbari übernommen worden. Nur einige der älteren Anla'Shok sahen das nicht gerne.
Sinclair war von der Willkommenszeremonie für die Neulinge beeindruckt, die herzlich, aber doch mit dem gebührenden Ernst vonstatten gegangen war.
Die Neuen hatten ihre Broschen bekommen. Dann hatten die voll ausgebildeten Anla'Shok ihren traditionellen Eid rezitiert. Als dieser förmliche Teil der Feier vorbei war, breitete sich ausgelassene Stimmung unter den Anwesenden aus.
William sah dem ganzen Treiben mit gemischten Gefühlen zu. Er war froh, dass Menschen und Minbari Seite an Seite standen.
Aber er fragte sich, wie vielen Menschen es wie ihm ging. Und er war sich sicher, dass einige von ihnen nicht wussten, auf was sie sich da einließen.
Rhiannon lief erfreut lächelnd zu Inesval und seiner Frau Aidoann, die beide zur ersten Gruppe der neuen Auszubildenden gehörten.
"Ich freue mich, dass ihr hier seid."
Ria umarmte zuerst Aidoann und dann Inesval herzlich. Während Aidoann sich dann mit einigen der anderen Neulinge unterhielt, blieb Rhiannon bei Inesval, um mit ihm zu reden.
"Du hast schon lange davon geträumt, ein Anla'Shok zu sein", sagte sie schmunzelnd. "Nicht wahr? Gut, dass du hier bist."
"Ja, seit ich denken kann", entgegnete er mit einem zufriedenem Lächeln. "Danke."
"Du solltest dich nicht bei mir bedanken, sondern bei Anla'Shok Na", meinte Ria. "Er hat sich dafür eingesetzt, dass die Mitglieder der Arbeiterkaste ohne Einschränkungen zu den Anla'Shok gehen dürfen."
William sah ein wenig eifersüchtig, wie seine Frau Inesval innig umarmte. Die beiden scherzten und schienen offenbar viel Spaß zusammen zu haben.
Im Moment hielt es Will allerdings nicht für angebracht, sich einzumischen. Aber als sie gemeinsam zurück nach Yedor flogen konnte er sich eine spitze Bemerkung nicht verkneifen.
"Du scheinst diesen Kerl ja sehr zu mögen."
"Wen meinst du?" Rhiannon runzelte verwundert die Stirn.
"Na, Inesval."
Ria hatte alle Mühe, sich ein Lachen zu verkneifen. "Ja sicher mag ich ihn. Er ist einer meiner besten Freunde. Ich kenne ihn schon, seit ich hier auf Minbar bin."
"Ihr seid wirklich nur Freunde?" fragte William misstrauisch.
"Ja, nur Freunde."
"Das hat vorhin aber anders ausgesehen", sagte Will beleidigt. "Du konntest ja gar nicht genug davon bekommen, ihn zu umarmen und mit ihm zu flirten."
Nun begriff Rhiannon endlich, worauf ihr Mann hinauswollte. Sie musste so heftig lachen, dass sie beinahe das Steuer des Fliegers verrissen hätte.
"Das klappt schon aus zwei Gründen nicht", kicherte Ria, als sie sich wieder etwas erholt hatte. "Minbari dürfen keine Verbindung mit einem Außenweltler eingehen. Außerdem ist Inesval bereits verheiratet. Aidoann ist seine Frau."
"Oh, das wusste ich nicht. Ich hatte keine Ahnung, dass Minbari keine Außenweltler heiraten dürfen." William sah zerknirscht aus. "Und es hat mir keiner gesagt, dass Inesval und Aidoann verheiratet sind."
Unverheiratete Minbari konnten tun und lassen was sie wollten. Aber wenn Minbari eine Beziehung eingingen, waren sie normalerweise ein Leben lang gebunden. Sie heirateten erst dann wieder, wenn der Ehepartner gestorben war.
"Deshalb haben sie auch so weit wie möglich getrennten Unterricht", sagte Rhiannon heiter.
"Wie hast du die beiden kennengelernt?" Will kam sich wie ein Idiot vor.
"Sie haben für Delenn gearbeitet", erzählte sie. "Aber sie haben das Haus verlassen, als Delenn nach Babylon 5 gegangen ist. Der Kontakt zwischen uns ist allerdings nicht abgerissen."
"Ah." William nickte knapp. "Tut mir Leid, dass ich eifersüchtig war. Aber eine Frau wie du kann viele Männer haben."
Ria lächelte strahlend. "Kann sein. Aber ich habe bereits einen Mann und bin sehr glücklich mit ihm."
"Das muss dann aber ein echter Glückspilz sein."
"Na, das hoffe ich doch", entgegnete Rhiannon zufrieden.
Fortsetzung: Kapitel 31
Jennifer Fausek
30.10.2002
Website von Jennifer Fausek
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