"Der geheime Plan" ("Galaxis in Flammen" - Teil 3)
(von Holger Fausek)
Captain Matthew Gideon stand auf der Brücke seines Schiffes namens "Phoenix",
einem Forschungsschiff der Explorer-Klasse. Seit die Erdstreitkräfte in
Alarmbereitschaft versetzt worden waren, flog er mit Höchstgeschwindigkeit in
Richtung Erde. Doch dies bedeutete bei seinem langsamen und inzwischen recht
alten Forschungsschiff nichts.
Schräg hinter ihm stand sein erster Offizier, Lieutenant Matheson. Er schaute
Gideon wissend an. Dies brachte dem Captain augenblicklich wieder die Tatsache
ins Gedächtnis, daß sein Stellvertreter ein Telepath war und seit dem
Telepathen-Krieg und dem Ende des PSI-Corps vor über zwei Jahren in den
Erdstreitkräften diente.
In der Tat hatte Matheson ihn bereits mehrmals darauf aufmerksam gemacht, als
er seit dem Angriff der Drakh immer wieder auf die Gedanken und die bedrückte
Stimmung der Crew hingewiesen hatte.
Doch scheinbar nahm Matheson selbst das Geschehene sehr gelassen und ruhig
oder aber er war der einzige an Bord, der seine Gefühle perfekt zu verstecken
schien. Aber so hatte er ihn in den letzten 2 Jahren kennen und schätzen
gelernt: immer wenn die Situation heikel oder kritisch wurde, konzentrierte
sich Matheson voll auf die Situation.
Einen Moment später bemerkte Gideon aus den Augenwinkeln, wie Matheson sich
versteifte und mit der Hand zu seinem linken Ohr fuhr. Scheinbar kam
gerade eine Transmission herein und sein erster Offizier wollte sie mit seinem
Kopfhörer deutlicher empfangen.
Geduldig, aber dennoch gespannt, wartete Gideon, bis die Hand von Matheson
sank und er sich zum Captain begab und seine Meldung machte: "Sir, wir
empfangen eine Nachricht von einem Schiff namens Excalibur, welches sich im
Mars-Orbit befindet. Es ist einer der neuen und bisher geheimen
Zerstörer-Prototypen der Interstellaren Allianz. Die Nachricht wird als eine
Tachyonen-Übertragung über den Goldkanal gesendet."
Gideon dreht sich um: "Und was empfangen sie ?" Matheson ging zum
Kommunikationsterminal, betätigte ein paar Kontrollelemente und drehte sich
kurz darauf zu seinem kommandierenden Offizier um: "Es sind fast
ausschließlich jede Menge taktischer Daten, Statusinformationen und
Sensorenwerte von der Erde und dem Mars, Sir."
Gideon war inzwischen aufgestanden, ging Richtung Tür und befahl unterwegs
seinem Stellvertreter: "Legen sie Displays dieser Daten in mein Büro und
lassen sie sie umgehend von allen Stationen analysieren !"
Kaum hatte er dies ausgesprochen, schloß sich hinter dem Captain die Tür und
Matheson blieb auf der Brücke zurück, von den anderen Offizieren fragend
angeblickt. Er war kurz verduzt und rief dann: "Sie haben den Captain gehört !"
Captain Gideon stand Stunden später immer noch auf der Brücke der Phoenix,
was sich mit seiner Meinung nach quälend langsamer Geschwindigkeit durch den
Hyperraum bewegte. Er hatte lange nicht geschlafen, aber auch sein erster
Offizier hatte sich nicht einen Augenblick Ruhe gegönnt. Auf jeden Fall war
Gideon froh, einen so guten Koch an Bord zu haben. Er machte den besten
Kaffee, den er jemals in der gesamten Erdallianz-Flotte getrunken hatte. Und
den hatte er zur Zeit bitter nötig ...
Trotzdem fiel es ihm langsam schwer, sich zu konzentrieren. Alle Abteilungen
hatten in den letzten Stunden die Daten von der Excalibur ausgewertet und
er hatte auch nicht geruht und sich die Informationen angesehen. Außer vielen
deprimierenden Nachrichten und Sensor-Datem hatte er jedoch nichts gelesen,
was für ihn brauchbar gewesen wäre.
An der taktischen Station wurde ein Rauschen hörbar, woraufhin der dort
sitzende Offizier sofort reagierte und die Anzeigen überprüfte. Als das
Rauschen immer lauter wurde und sich in ein Knacken verwandelte, begann der
taktische Offizier sofort mit einer Statusmeldung: "Captain, ich empfange sehr
starke Signale auf einem ganzen Spektrum von Breitbandfrequenzen. Es scheint
eine Art Energierauschen zu sein, wie es von Antriebssystemen erzeugt wird.
Aber die Stärke ist unglaublich !" Sofort waren sowohl Matheson als auch
Gideon wieder hellwach, schritten schnell zur taktischen Station und
begutachteten die Displays.
"Es ist unglaublich, wie viel Energie dort hinausgeschleudert wird !" Dieser
Ausruf kam von Lieutenant Matheson und Gideon warf ihm einen warnenden Blick
zu, der besagte er solle sich beherrschen. Dann wandte Gideon sich wieder der
Station zu und fragte, ob die Quelle oder Flugrichtung geortet werden könne.
Nach einigen Sekunden stand ein Ergebnis zur Verfügung. "Captain, ich kann
aufgrund der Strahlung nichts orten, unsere Sensoren sind fast blind. Aber die
Signale kommen von Backbord voraus und scheint sich in unsere Richtung zu
bewegen. Und, Sir - es hat bereits größere Auswirkungen auf uns."
Bevor Gideon fragen konnte, was gemeint war, bemerkte er wie sein Schiff zu
vibrieren begann. Als dieses langsam aber kontinuierlich immer stärker wurde
und eine halbe Minute später von einer der wissenschaftlichen Stationen der
Ruf kam, sich festzuhalten, was es bereits zu spät.
Gideon wollte gerade zu seinem Stuhl eilen, als er im nächsten Augenblick
zur Seite geworfen wurde. Nachdem er sich mühsam aufgerafft hatte, bemerkte er
daß das Schiff hin und her kippte. Er kroch zu seinem Stuhl und schnallte sich
fest, dann sah er einige Offiziere, die immer noch den Boden bevölkerten, unter
ihnen auch Lieutenant Matheson.
Durch den Lärm auf der Brücke hindurch brüllte er seine Kommandos zum
Stabilisieren des Schiffes. Dann befahl er, daß Schiff von dem Signal zu
entfernen. Kurz darauf änderte es seinen Kurs und versuchte, der
Energiestrahlung zu entkommen, die offenbar die Schlingerbewegungen des
Schiffes durch Störungen des Antriebes und der Stabilisierungstriebwerke
hervorrief.
Als Gideon sah, dass sich die meisten Offiziere wieder an ihre Stationen
begeben hatten, rief er laut eine Frage zu Lieutenant Matheson: "Können wir
eine Sonde in Richtung der Quelle schicken ?"
Matheson, der weiterhin an der taktischen Station war, schaute kurz auf die
Displays und rief dann kopfschüttelnd zurück: "Wir können eine Sonde
abschießen, würden aber nach wenigen Sekunden den Kontakt durch die Strahlung
verlieren."
Gideon überlegte kurz und meinte dann: "Und was ist mit den selbststeuernden
Sonden ? Wir könnten eine auf elliptischem Kurs durchschicken und hinterher
die gespeicherten Daten auswerten."
Matheson erwiderte: "Das wäre möglich, aber im Hyperraum ist es schwierig,
die Sonde zu finden."
"Dennoch, wir starten eine Sonde. Bereiten sie alles vor und schießen sie sie
ab !"
Wenige Sekunden später wurde am Rumpf des Schiffes eine Öffnung sichtbar, ein
wenige Meter großes Objekt kam heraus, zündete darauf ein kleines Triebwerk
und verschwand in der Unendlichkeit des Hyperraumes."
Auf der Brücke meldete Matheson den erfolgreichen Start der Sonde, kurz darauf
kam von der Kommunikationsstation die Information, daß der Kontakt zur Sonde
abgebrochen sei.
Nach zahlreichen Kursänderungen war das Forschungsschiff aus dem unmittelbaren
Einflußbereich der unbekannten Strahlungsquelle geflogen. Da die Triebwerke
nun nicht mehr wesentlich beeinträchtigt wurden, entfernte sich die Phoenix
weiter und setzte etwas später einen Kurs auf den geplanten Rendezvouspunkt
mit der Sonde.
Etwa 20 Minuten später fing die Mannschaft ein erstes Signal der Sonde auf und
wenige Minuten später wurde die Sonde an Bord genommen. Gideon befahl eine
sofortige und schnelle Auswertung der aufgezeichneten Daten.
Auf Centauri Prime eilte ein Minister durch einen Gang des Palastes und
stürmte an den Wachen vorbei in das private Audienzgemach des Imperators.
Hastig trat er vor den Imperator, verbeugte sich vor Londo Mollari und begann,
leicht stotternd seine Nachricht vorzutragen: "Emminenz, wir haben ein Signal
von einem Erdallianz-Schiff namens Phoenix aufgefangen. Es hat die Drakh-Flotte
aufgespürt und durch eine Sonde analysiert. Sie haben auch das Ziel der Flotte
herausgefunden."
Unbemerkt spitzte Londo, der sich bis eben nicht bewegt hatte, kurz die Ohren.
Dann machte er mit der linken Hand eine Geste und bedeutete dem Minister zu
gehen.
Als die Tür sich geschlossen hatte, trat aus dem Schatten in einer Ecke jemand
auf Londo zu. Es war Shiv'Kala, der Anführer der Drakh und gleichzeitig
derjenige seines Volkes, der als Botschafter und Überwacher auf Centauri Prime
fungierte. Er erhob seine leise und ruhige, gleichzeitig jedoch unbarmherzige
Stimme: "Das stört unsere Pläne. Wir werden das kompensieren müssen. Sie haben
ein Kriegsschiff in der Nähe dieses Forschungsschiffes. Schicken sie es los
und zerstören sie die Phoenix. Der Rest ihrer Flotte soll umgehend aufbrechen
und unserer Flotte beim Angriff auf Minbar den Rücken decken." Dann begab sich
Shiv'Kala durch eine Seitentür hinaus.
Londo ließ den Minister rufen. Er wollte zwar keine derartigen Anweisungen
erteilen, noch weniger aber wollte er, daß der Wächter auf seiner Schulter die
Kontrolle über ihn übernahm.
Er hatte es mehrmals proviziert, immer nur bei kleinen Sachen, aber die Drakh
hatten prompt darauf reagiert. Der Wächter hatte einfach seine Handlungen
kontrolliert und das gefiel ihm überhaupt nicht. Eingesperrt zu sein im
eigenen Geist und nichts tun zu können war für ihn furchtbar.
Der Wächter, der gerade seine Gedanken mitbekam, beruhigte sich daraufhin. Er
hatte schon befürchtet, diesmal wieder reagieren zu müssen. Denn eines wußte
Londo nicht: auch für ihn war die Übernahme der Kontrolle etwas, was ihm nicht
sehr gefiel.
Imperator Mollari wischte seine Gedanken beiseite, als sich die Tür öffnete
und der Minister eintrat. Er holte noch einmal Luft, um dann den schrecklichen Befehl
zu geben ...
Auf Minbar eilte Entil'zha Delenn durch die Gänge des Hauptquartiers der
Interstellaren Allianz in der Stadt Tuzanor.
Überall spürte sie noch die Bedrückung, die nach der Zerstörung der Erde als
Schock in die sonst so friedliche Welt gefahren war. Doch bei vielen war sie
auch Angst und Panik gewichen, scheinbar hatte sich das Gerücht von der
Nachricht des Erdallianz-Forschungsschiffes Phoenix rasch verbreitet.
Sie eilte weiter durch die leuchtenden kristallinen Strukturen, die auch in
dieser Situation einen beruhigenden Einfluß auf sie auszuüben schienen. In
dieser Situation hatte selbst sie Mühe, sich zu konzentrieren. Doch zu einer
noch so kurzen Meditation hatte sie weder Zeit noch die Kraft.
Es war kaum zu glauben. Vor weniger als 3 Tagen war sie ununterbrochen mit den
Vorbereitungen für das 5-jährige Jubiläum der Allianz beschäftigt gewesen, nun
aber was alles abgesagt worden. Nichtsdestotrotz war sehr viel los seit der
Nachricht über den Plan der Drakh.
Als sie sich weiter durch die Menge aus hektisch - sie hatte das Gefühl, es
war fast panisch - umherwieselnden Rangern, Minbari, Botschaftern und Attaches
kämpfte, gesellte sich ein hochrangiger Ranger zu ihr.
Nachdem sie nicht auf ihn reagierte, sprach er sie an: "Entil'zha, ich muß sie
dringend sprechen !"
Sie sah ihn kurz an und zog ihn kurz darauf in einen etwas ruhigeren
Seitenkorridor.
"Entil'zha, die Flotte ist mobilisiert, aber bis der größte Teil der White
Stars hier ist, ist es schon zu spät."
Delenn erwiderte: "Die Flotte der Krieger-Kaste wurde mobilisiert. Des
weiteren habe ich mit einigen Botschaftern gesprochen. Die Narn konnte ich
dazu bewegen, uns größere Verstärkungen zu schicken. Die Drazi, Brakiri und
Gaim werden einige Schiffe herbeordern, die sich in der Nähe aufhalten."
Der Ranger sah sie kurz fest an und erwiderte dann, wobei sie seine
Zerknirschtheit spüren konnte: "Es wird dennoch nicht reichen ..."
Fortsetzung: "Geballte Macht"
Holger Sauer
28.05.2000
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