"Geballte Macht" ("Galaxis in Flammen" - Teil 4)
Lennier schaute auf die Displays seines kleinen Schiffes, bevor er die
Sprungsequenz startete und sich in den Hyperraum begab.
Der ehemalige Rekrut der Anla'shok, also der Ranger, war
knapp eine Stunde zuvor von Anjaros Prime gestartet. Nachdem er vor über 4
Jahren bei einem Unfall mit Präsident Sheridan ihn fast hatte sterben lassen
und deswegen mit einem Gleiter die White Star verlassen hatte, war er durch die
Galaxis geflogen. Er hatte die Randzone und viele andere Gebiete durchflogen und
war vor 3 Wochen auf dem Planeten im Anjaros-Sektor gelandet.
Doch inzwischen war die Nachricht über die Zerstörung der Erde hierher gelangt
und vor wenigen Stunden waren Raider mit Gerüchten über einen geplanten Angriff
der Drakh auf die Minbari in der Hauptstadt angekommen. Diese Nachricht hatte
ihm keine Ruhe gelassen und so war er Richtung Minbar gestartet.
Sein Schiff, ein mit neuen Triebwerken augestatteter Raider-Shuttle, flog mit
Höchstgeschwindigkeit durch den Hyperraum. Lennier war darüber erstaunt, wie
gut es getunt war, da selbst ein Minbari-Kampfflieger nicht so schnell fliegen
konnte.
Kurz darauf entschied er sich, ein wenig zu schlafen, da er seine Kräfte noch
früh genug brauchen würde.
Captain Gideon war in seinem Bett. Der Bordarzt hatte ihm per Befehl Schlaf
verordnet und der Captain wußte selbst, wie nötig dies war. Doch die Ruhe war
nur von kurzer Dauer.
Er hatte nur wenige Minuten geschlafen, als er über das
Kommunikationssystem gerufen wurde: "Lieutenant Johnson an Captain Gideon
und Lieutenant Matheson. Kommen sie bitte sofort auf die Brücke !"
Es hörte sich beinahe an, als ob Johnson panisch schrie.
Gideon war sofort wieder hellwach und stemmte sich hoch. Er
wollte gerade fragen, was los sei, als die Sirenen für den Gefechtsalarm
losheulten. Kurz darauf gab es ein lautes Krachen und das Schiff erzitterte.
Gideon zog sich in Windeseile seine Hose an und schnappte sich im Hinauseilen
seine Uniformjacke. Dann rannte er zur Brücke.
Als er dort eintraf, sah er Matheson die Brücke betreten und dabei seinen
Hosenstall schließen. Wäre die Situation nicht ernst gewesen, hätte er bei dem
Anblick vor Lachen auf dem Rücken gelegen.
Doch in dieser Situation verdrängte er den Gedanken, als es erneut krachte und
das Schiff wieder schwankte. Lt. Johnson stand vom Sessel des Kommandanten auf
und erläuterte Gideon knapp die Situation.
Ein Kriegsschiff der Centauri hatte die Phoenix hinterrücks angegriffen. Der
Antrieb hatte bereits schwere Schäden erlitten als sich die nächste
noch größere Explosion ereignete. Gideon wollte gerade zum Bedienpult, als er
durch die Wucht zur Seite geschleudert wurde. Matheson, der gerade die
taktischen Daten abrief, konnte sich im letzten Moment an der Konsole
festhalten. Auf Deck 4 gab es bereits einen größeren Bruch in der
Schiffshülle. Des weiteren waren die Primärwaffen ausgefallen und
das Schiff damit verteidigungsunfähig.
Gideo fluchte leise, als er dies hörte. Dann befahl er, die Ausweichmanöver
fortzusetzen. Doch mehr fiel ihm nicht ein, immerhin war ihnen das Centauri-Kriegsschiff
absolut überlegen und die Phoenix ein altersschwacher langsamer Kahn und
kein Zerstörer.
Da trat Matheson an ihn heran und meinte: "Sir, wir könnten doch über die
Luftschleusen Treibminen freisetzen und diese in der Nähe des Centauri-Schiffes
explodieren lassen."
Gideon überlegte einen Moment und meinte dann: "Und wenn die Centauri den
Kurs ändern ? Wie sollen wir sie zu den Minen locken ?"
Matheson antwortete: "Ich mußte beim PSI-Corps einmal einen Tiefenscan bei
einem Centauri-Ingenieur durchführen. Dabei habe ich erfahren, daß ihre
Sensoren bei hohen Konzentrationen an Gamma-Strahlung leicht verwirrt
sind."
Johnson drehte sich um und warf eine Idee ein: "Wenn wir so tun, als sei
unser Reaktor beschädigt und Plasma aus dem Reaktor in den Hyperraum strömen
lassen ? Vielleicht genügt es, um die relativ kleinen Minen nicht entdecken zu
lassen."
Gideon sah Matheson kurz an und sagte: "Tun sie das !" Dann wandte er
sich an Johnson: "Lieutenant, sie bereiten Treibminen vor und setzen diese
so schnell wie möglich frei."
Wenig später öffneten sich zwei Luken am Rumpf der Phoenix und die ersten Minen
fielen heraus. Zur gleichen Zeit öffnete sich am Heck eine weitere Luke und
rot-grün glühendes Plasma strömte heraus.
Auf dem Centauri-Schiff bemerkte der kommandierende Offizier scheinbar ein
Problem bei der Sensor-Überwachung der Phoenix, denn er beschleunigte die
Annäherung an das Schiff.
Gideon war dies nur recht, so lief das feindliche Schiff schneller auf seine
Minen und hatte keine Chance, ihnen vorher auszuweichen.
Ein paar Augenblicke später geschah auch das Erwartete. Die erste Mine
explodierte, gefolgt von weiteren. Das Centauri-Schiff änderte den Kurs, kippte
zur Seite und wurde langsamer. Explosionen nahe der Außenhülle deuteten darauf
hin, daß die Minen größere Schäden anrichteten.
Dann driftete das Kriegsschiff ab.
An Bord der Phoenix atmeten alle auf und Gideon blickte sich erfreut um. Doch
der Anblick ließ ihn nachdenklich werden. Er sah zerfetzte Wände und Leitungen,
defekte Stationen und Überall verkohlte und zersplitterte Trümmer. Die
Schadensbegrenzungstrupps hatten jede Menge zu tun. Auch die Hülle hatte viele
Risse und Löcher.
Der Antrieb funktionierte kaum noch und die Tachyonen-Kommunikation war
ausgefallen. Gideon hoffte, es mit seinem Schiff überhaupt bis zum Mars zu
schaffen. Vor dem Angriff hätten sie es in 4 Stunden schaffen können, jetzt
würde die Phoenix mindestens anderthalb Tage benötigen und auch nur, wenn die
Schäden nicht zu stark wären. Und solange der Antrieb nicht wieder
vollständig repariert war, würden sie ein leichtes Ziel für weitere
feindliche Schiffe sein.
Auf dem Mars hatten die notwendigsten Reparaturen an den Luftschächten,
Stützpfeilern und Generatoren schon gute Fortschritte erzielt, als bedrohliche
Nachrichten alle in Aufruhr versetzten. Die Phoenix hatte die Pläne der Drakh
durchkreuzt und einen detaillierten Bericht an die Excalibur und nach Minbar
gesandt. Doch nun konnte die Phoenix weder geortet werden, noch gab es
irgendwelche weiteren Nachrichten. Während Delenn auf Minbar noch in der
gleichen Minute eine Krisensitzung einberief, berieten auf der Excalibur die
Kommandeure der drei Schiffe Excalibur, Victory und Anopheles, wie man am
besten vorgehen müsste. Es stand
von Anfang an fest, dass die Crew der Anopheles auf den beiden neuen Zerstören
arbeiten musste, denn gutes technisches Personal war knapp und die Erfahrung
der Anopheles-Crew war von unschätzbarem Wert. Die Anopheles sollte zur
Sicherung des Planeten und zur weiteren Versorgung der verbliebenen Bevölkerung
im Marsorbit bleiben. Einige Verletzte konnten nur an Bord versorgt werden und
so wurden auch Marian und ihre Kinder vorerst auf der Anopheles untergebracht.
Roger hatte darauf bestanden, auch wenn Marian der Meinung war, unbedingt auf
dem Mars helfen zu müssen. Es kostete einige Überredungskünste um sie davon zu
überzeugen, dass Alex und Julie nur an Bord der Anopheles in Sicherheit waren.
Für Roger Wilson war es eine der schwersten Entscheidungen in seinem Leben, aber
Commander Jarvis hatte ihn gebeten sie auf die Excalibur zu begleiten. Er wusste,
dass er seine Mannschaft in einer so gefährlichen Mission nicht allein lassen
konnte. Nur durch die Rettung des Mars gab es noch Hoffnung für die Menschheit.
Sollte dies Misslingen, war die Menschheit ein für alle mal dem Untergang
geweiht, denn dann gab es keinen Rückhalt mehr.
Marian hatte Verständnis für ihren Bruder und dennoch war im selben
Augenblick die Angst wieder da. Die Angst auch Roger zu verlieren. Als Roger
sich von ihr und den Kindern verabschiedete, konnte sie ihre Tränen nur mit Mühe
zurückhalten. Alexander war stolz auf seinen Onkel. Er wollte unbedingt genauso
werden wie Roger. Das stand fest! Auch Julie's Augen leuchteten, als sie ihren
Onkel in der schicken Uniform der Victory sah. Beide bemerkten nicht, wie
traurig ihre Mutter war.
Captain Jarvis wurde gemeinsam mit Lt. Wilson auf der Victory erwartet.
Lieutenant Na'Vok hatte sich für die Excalibur entschieden, da dort zwei
Offiziere dienten, die er bereits von der Akademie her kannte. Außerdem
erhoffte er sich die Möglichkeit, endlich seine Qualitäten unter Beweis stellen
zu können. Auf der Anopheles war dies oft nicht von Nöten gewesen, da es mit Lt.
Wilson bereits einen hervorragenden Offizier gab und er als taktischer Offizier
ganz andere Aufgabenbereiche zu betreuen hatte. Hier hatte er sogar einige
andere Offiziere unter sich und das gab seiner Arbeit einen ganz anderen Wert.
Nur seine Freunde, die jetzt auf der Victory waren, würden ihm fehlen.
Präsident Sheridan war mit der Aufteilung der Crew sehr zufrieden.
Es durfte keine Zeit mehr vergeudet werden. Die Munitionsvorräte der Anopheles
wurden so aufgeteilt, dass auf der Anopheles selbst noch genügend für eine
eventuelle Verteidigung blieb, der größte Teil jedoch auf der Excalibur und
der Victory waren.
Wenige Minuten nachdem dies abgeschlossen war, öffneten die Excalibur
und die Victory Sprungtore und flogen in den Hyperraum mit einem
Höchstgeschwindigkeitskurs nach Minbar.
Alle wussten, dass es die wichtigste Schlacht werden würde,
in die sie jemals geflogen waren, noch wichtiger als die 'Battle of the Line'
im Erd-Minbari-Krieg.
Fortsetzung: "Ankunft beim Mars"
Andrea-Janina Grieskamp / Holger Sauer
12.06.2000
www.andrea-janina-grieskamp.de /
www.h-sauer.de
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