"Machtkämpfe und Schicksalsschläge" ("Prophezeiung" - Teil 5)
"Herzlichen Glückwunsch Malina."
"Vielen Dank. Ich danke euch allen."
Ihre ganze Familie war da, eigentlich hasste sie solche offiziellen Veranstaltungen, aber immerhin war heute ihr Geburtstag, ihr zwanzigster sogar, also ließ sie das alles über sich ergehen. Sie freute sich auf den Abend, dann würden noch ein paar Freunde auftauchen, viele hatte sie ja nicht außerhalb der Familie. Woher auch, sie hatte ja immer Privatunterricht genossen. Das ist der Preis den man zahlen muss als einzige Tochter des Imperators, pflegte ihre Mutter Lona immer zu sagen. Als ob das helfen würde. Aber heute war alles vergessen, sie wusste auch nicht genau warum, sie war einfach bester Laune und wollte auch nicht drüber nachdenken. Nachdem sie ihre Geschenke bekommen und sich von der gesamten Verwandtschaft, auch wenn sie einen Großteil gar nicht kannte, herzlichst zum Geburtstag gratulieren ließ, gab es erst mal ein Festmahl in 8 Gängen, das dürfte wieder eine ganze Weile dauern. Doch nach dem 3. Gang stellte sie zu ihrem Entsetzten fest, dass Tokan, einer der treusten Diener ihres Vaters zu Lowan ging und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Dieser stand auf, sagte ihrer Mutter Lona etwa mit einer entschuldigenden Handbewegung und verließ den Saal. Das konnte doch nicht wahr sein, das war ihr Geburtstag und ihr Vater dachte schon wieder nur an Geschäfte. Sie hatte ihm extra das Versprechen abgerungen, dass er heute nicht an die Arbeit denken würde.
"Es tut ihm sehr leid, aber es scheint wirklich wichtig zu sein."
Lona versuchte mit ihren Worten zu retten, was zu retten war.
"Ist es das nicht immer?" erwiderte Malina mit einem tief sarkastischen Unterton.
"Er wollte sich den Tag wirklich frei nehmen, ich bin mir sicher, dass es wirklich sehr wichtig ist."
Das Essen ging ansonsten wie geplant zu Ende. Ihr Vater tauchte allerdings nicht wieder auf. Nachdem sie alle Gäste verabschieden hatte, ging Malina in das Büro ihres Vaters. Er saß an seinem Schreibtisch, den Kopf tief in seinen Händen vergraben und schien nachzudenken. Als er sie hörte sah er auf, und Malina erschrak. Sie hatte ihren Vater noch nie so gesehen. Auf einmal war die Wut über sein Verschwinden wie weggeblasen. Sie wusste nicht was im Gange war, aber es konnte nichts Gutes sein.
"Ist alles in Ordnung Vater?"
"Noch ist alles in Ordnung ja."
Er sagte dies mit einem Unterton, der sie keineswegs beruhigte.
"Schatz, es tut mir leid, aber ich muss noch einiges organisieren. Ich werde dir später mehr erzählen."
Mit dieser Ungewissheit verließ sie das Büro ihres Vaters. Es war später Nachmittag, sie hatte also noch etwas Zeit, so ging sie in den Garten des Palastes um noch etwas zur Ruhe zu kommen. Der ganze Tag war sehr anstrengend gewesen, aber besonders beschäftigte sie ihr Vater, er war in der letzten Zeit immer mürrischer geworden, hatte immer weniger Zeit gehabt. Sie hatte sich nie ernsthaft mit der Politik beschäftigt, aber in ihrem Vater war eine Veränderung vorgegangen. Nach allem was sie mitbekommen hatte gab es immer mehr Widerstand von anderen Häusern, Häuser die Krieg und die Centauri wieder als Kolonialmacht wollten. Auch in der Bevölkerung gab es unterschiedliche Lager, wobei der Großteil des Volkes immer noch durch den letzten Krieg gezeichnet und mehr der friedlichen Politik ihres Vaters zugeneigt war. Sie hatte seine Gegner immer als unwichtig abgetan, schließlich war ihr Vater der Imperator und hatte die Macht. Aber in diesem Augenblick fragte sie sich, ob diese Einstellung nicht doch sehr naiv war und sie kam zu dem Schluss, dass sie in einer Traumwelt gelebt hatte. Dennoch hatte ihr Vater genug Macht und Einfluss, dass nichts passieren konnte, da war sie sich sicher.
Als sie aber eine Stunde später gemeinsam mit ihrer Mutter zu Imperator Lowan gerufen wurde, belehrte dieser sie eines Besseren.
"Ihr wisst, dass ich schon lange Streit mit meinen Widersachern habe. Die militanten Häuser sägen schon lange an meinem Thron. Leider ist es ihnen heute gelungen einen Großteil des Militärs unter ihre Kontrolle zu bringen."
Malina konnte den Schrecken in den Augen ihrer Mutter sehen.
"Die Situation dürfte sich allerdings bald wieder entspannen, und wir müssten die Kontrolle wieder erlangen."
Leider war ihr Vater ein schlechter Lügner und so konnte selbst Malina durch ihre rosarote Brille erkennen, dass es deutlich schlechter stand.
"Allerdings besteht natürlich die Gefahr, dass ich mit dieser Vermutung falsch liege. Darum möchte ich, dass ihr vorerst Centauri Prime verlasst, bis sich die Situation entspannt hat."
Was? Viele tausend Gedanken schossen durch ihren Kopf. Ihr Vater hatte noch nie von ihnen verlangt Centauri Prime zu verlassen.
"Ihr werdet auf eine geheime Welt fliegen und dort in Sicherheit sein. Packt eure Sachen euer Flug geht in 3 Stunden."
Malina erinnerte sich an die Tage als sie noch jung war, an einen liebevollen gutmütigen Vater, den souveränen Imperator. Der gleiche Mann der sie nun abschieben wollte. Sie sah in seine Augen und ihr wurde klar, dass er es bei weitem nicht so locker nahm wie der vorgab. Als er merkte, wie genau sie ihn musterte drehte er sich weg und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Lona, nun auch sichtlich gezeichnet, nahm sie an der Schulter und führte sie aus dem Raum.
Da saßen sie nun im Shuttle und verließen ihre Heimat. Ihr Vater hatte sie nur kurz verabschiedet und noch einmal beteuert, dass sie sich bald wiedersehen würden. Malina warf einen letzten Blick auf Centauri Prime, da sprangen sie auch schon in den Hyperraum.
"Wo werden wir denn genau hinfliegen?" wollte ihre Mutter von dem Piloten wissen.
"Das werdet ihr noch früh genug erfahren!" lautete die barsche Antwort, die sie von dem Captain bekam.
"Joe, du weißt was zu tun ist."
Und Joe wusste genau. Er holte eine Waffe aus seiner Tasche und richtete sie auf die beiden.
"Was geht hier vor?"
"Das geht euch gar nichts an. Macht was euch gesagt wird und euch wird nichts passieren."
Angst durchzog ihren ganzen Körper, anscheinend war die Situation bei weitem dramatischer als ihr Vater gemeint hatte. Die beiden wurden gefesselt und geknebelt. Der Captain stellt eine Kommverbindung her.
"Wir haben die beiden, es verlief alles nach Plan."
Man sah eine Centauri auf der anderen Seite: "Gut, haltet euch bereit für den Rest des Plans."
Die Fesseln drückten gewaltig, außerdem hatte sie Durst, mit diesem Knebel im Mund traute sie sich gar nicht zu schlucken, obwohl sie die ganze Zeit ein Verlangen danach hatte. Sie beide waren in einen hinteren Raum des Shuttles gebracht worden. Sie hatte keine Ahnung, ob sie nach wie vor alleine im Hyperraum schwebten, oder vielleicht schon an Bord eines größeren Schiffes waren. Lona sah auch nicht so aus als ginge es ihr besser. Sie schien sogar das Bewusstsein verloren zu haben. Doch als Joe plötzlich die Tür öffnete regte sie sich wieder. Dieser ging allerdings direkt auf Malina zu und nahm sie am Arm.
"Dein Vater will dich sprechen" sagte er mit einem fiesen Lächeln. Dennoch war er sehr behutsam mit ihr, wesentlich behutsamer als er bei Lona gewesen war. Auch jetzt lächelte er sie an, versuchte dieser unverfrorene Kerl etwa noch mit ihr zu flirten? Was dachte er, was das hier war? Er brachte sie zurück in den Hauptraum - es waren mit ihm inzwischen 4 Centauri dort - zu einem Stuhl vor ein Kommunikationsgerät und nahm ihr den Knebel ab. Kurz danach sah sie ihren Vater. Sie wusste nicht, ob er damit gerechnet hatte sie zu sehen, aber sein Gesichtsausruck verriet nichts Gutes.
"Es stimmt also wirklich." Seine Stimme klang gebrochen, nicht so stark und souverän wie sonst. Das war zwar schon bei ihrer Abreise zu merken, aber nun war er wirklich nur ein Schatten seiner selbst.
"Wie geht es dir?"
"Sie halten uns seit kurz nach dem Abflug fest. Bitte hilf uns."
"Haben sie euch etwas angetan?"
"Nein, bisher nur gefesselt und in einen Frachtraum gebracht."
"Wie geht es deiner Mutter?"
"Auch sie hat Angst, aber es ist noch alles in Ordnung."
"Gut, ich versuch euch so schnell wie möglich rauszuholen."
"Danke."
Die Verbindung wurde getrennt. Joe kam herbei mit einer Flasche Wasser.
"Joe." meinte der Captain (sie wusste seinen Namen immer noch nicht) barsch.
"Sie ist fast am Verdursten Chef."
"Ja gut, aber danach bring sie sofort zurück!"
"Ja, mach ich."
Nach weiteren Stunden in dem halbdunklen Frachtraum, kurz zuvor war ein Rück durch das Schiff gegangen, so als ob sie gelandet seien, kamen Joe und ein anderer der Centauri zu ihnen und brachte sie in den Hauptraum. Malina konnte sehen, wie der Captain mit einer andere Person kommunizierte:
"Der Plan war erfolgreich. Ihr Auftrag ist beendet."
"Was sollen wir mit den beiden machen?"
"Das ist nicht mein Problem, sorgt nur dafür, dass sie nie wieder Ärger machen."
Malina wollte schreien, aber es ging nicht mit dem Knebel. Erst jetzt sah sie, dass die Tür des Shuttles offen war. Von draußen wehte ein Wind herein, es war ein warmer Wüstenwind. Sie schienen in einer sehr unwirtlichen Gegend gelandet zu sein.
"Joe."
"Ja Captain."
"Nimm du die Tochter."
"Wie nehmen?"
"Ja mitnehmen, wir werden mit ihnen einen kleinen Spaziergang machen."
Er sagte dies auf eine Art, die Malina erst recht Angst machte. Angst, ihr Leben würde nicht mehr lange dauern.
Die beiden nahmen sie mit in die Wüste und ca. 50m vom Shuttle entfernt warf der Captain Lona zu Boden. Joe tat das gleiche mit Malina.
"Und was nun Chef? Wir wollten sie doch wohl hier nicht einfach liegen lassen?"
"Nein, wir werden sie davor bewahren, hier qualvoll sterben zu müssen."
"Das ist gut." Joe lächelte. Ihm war wieder mal anzusehen, dass er nicht unbedingt einer der hellsten Centauri war. Der Captain zog seine Waffe und erschoss Lona. Joe traute seine Augen nicht.
"Was? Was? Was war das denn? Nennst du das sie befreien?"
"Du tötest das Mädchen." Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ den schockgefrorenen Joe einfach so stehen. Neben einer Tochter, die gerade ihre Mutter verloren hatte und sich sicher war, das in den nächsten Sekunden auch ihr eigenes Leben beendet würde. Vom Captain war schon nichts mehr zu sehen, wahrscheinlich wollte er das ungemütliche Terrain so schnell wie möglich verlassen. Joe sprach halb zu ihr halb zu sich selbst.
"Nein, so etwas kann ich nicht tun, ich werde dich nicht einfach so töten, davon stand nichts im Vertrag nein, davon nicht."
Er löste ihre Fesseln und den Knebel, deutete ihr aber mit einem Handzeichen an, sich ruhig zu verhalten. So war von ihr nur ein leises Wimmern zu vernehmen.
"Ich habe vorhin auf der Karte gesehen, dass ca. 2 km in diese Richtung (er zeigte in Richtung Schiff) eine Händlerstadt liegt, mehr kann ich nicht für dich tun."
Er nahm seine Pistole und schoss einmal in die Luft, was bei den Phaserpistolen und dem Wind vermutlich eh nichts brachte, aber er fühlte sich wohl besser so. Er warf noch einen letzten Blick auf Malina :" Es tut mir leid. Es tut mir leid." Dann stolperte er zurück zum Schiff und ließ sie dort liegen. Malina richtete sich auf, beugte sich über ihre Mutter und brach in Tränen aus. Bittere Tränen über ihre Mutter, über alles was geschehen war, sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Es gab nur noch die Trauer, den Schock, die Lethargie. Sie spürte auch den Wind nicht mehr, der über ihre Haut fegte. Auch das Geräusch des Shuttles als es den Planeten verließ, nahm sie nicht mehr wahr. Sie lag nur über der Leiche und ergab sich ihrer Trauer.
Fortsetzung: "Liebe und Intrigen"
Nils von Delft
17.09.2002
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