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Rhiannons Geschichte:
17. Kapitel

(von Jennifer Fausek)

Noch in der Nacht flog Rhiannon mit Delenns privaten Schiff weg ohne vorher noch einmal nach Hause zu gehen. Was sie auf der Reise brauchte, würde sie auf dem Schiff schon finden.
Ria musste unbedingt nach Cha'dar fliegen und mit Alexander reden, schließlich war er an der ganzen Sache genauso sehr beteiligt wie sie.
Die Besatzungsmitglieder des Schiffes beachteten sie kaum und stellten auch keine Fragen, immerhin durfte Rhiannon Delenns privaten Kreuzer benutzen, wann immer sie wollte. Falls sich die Crew doch über die überhastete Abreise wunderte, so zeigten sie es nicht. Ria war froh darüber, denn sie sah sich im Moment außerstande ihr Verhalten zu erklären.
Sie kamen am frühen Vormittag auf Cha'dar an. Rhiannon machte sich unverzüglich auf die Suche nach Alex und fand ihn in seinem Quartier. Offenbar waren seine Eltern nicht zu Hause, denn er saß allein beim Frühstück.
Alexander war überglücklich, Ria wieder zu sehen und umarmte sie zur Begrüßung herzlich. "Aber warum hast du denn nicht angerufen und gesagt, dass du kommst? Ich hätte dir Blumen besorgt und dich abgeholt."
Rhiannon reagierte nicht auf diese netten Worte, sondern zog ihn mit sich zum Tisch. "Setz dich." Um sicher zu gehen, dass er ihrer Aufforderung nachkam, drückte sie ihn auf einen Stuhl. Sie setzte sich ebenfalls und atmete tief durch. "Ich bin schwanger und habe mich entschlossen dieses Kind auf jeden Fall zu bekommen. Und du bist der Vater", sagte sie gerade heraus. Sie wusste nicht, wie sie es ihm hätte schonend beibringen können.
Es dauerte eine Weile bis Alexander begriffen hatte, was Ria da gesagt hatte. "Wir werden Eltern? Bist du dir sicher?" vergewisserte er sich lächelnd. Sie nickte. "Aber das ist ja wunderbar!" Er umarmte sie. "Wir werden eine richtige Familie sein."
Rhiannon löste sich aus seiner Umarmung und stand ebenfalls auf. "Ist das dein Ernst?" fragte sie zweifelnd.
"Ja natürlich!" Alex küsste sie und streichelte sanft ihren Bauch. "Ich bin sicher wir werden gute Eltern sein. Wir können doch zusammenziehen und uns gemeinsam um unser Kind kümmern. Vielleicht werden wir eines Tages sogar... heiraten."
"Und wie stellst du dir das vor? Du fliegst doch bald zur Erde zurück", warf Ria ein.
"Du kannst doch mit mir kommen", entgegnete Alexander. "Jemand wie du findet sicher eine gut bezahlte Arbeit, immerhin sprichst du zwei Sprachen fließend. Und mit deiner Bildung kannst du bestimmt alles studieren was du nur willst, falls du zur Uni gehen möchtest. Auf der Erde haben wir viele Möglichkeiten..."
"Ich möchte aber nicht, dass unser Kind auf der Erde zur Welt kommt", erklärte Rhiannon entschieden.
Alex runzelte die Stirn. "Willst du das Baby etwa in den Kolonien bekommen?"
"Nein" erwiderte Ria. "Es wäre mir am liebsten, wenn unser Kind auf Minbar zur Welt kommen und auch dort aufwachsen würde, im Kreis meiner Familie und Freunde."
"Auf Minbar?" Alexander sah sie erstaunt an. "Das ist bestimmt nicht der geeignetste Ort, um ein menschliches Kind großzuziehen. Und ich kann doch nicht mit dir nach Minbar kommen ich kenne dort ja nicht einmal die Sprache. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich dort auch willkommen wäre."
"Meine Familie wäre sicher bereit, dich aufzunehmen", meinte Rhiannon. "Glaube mir, sie sind alle sehr nett und würden dir die Sprache sicher schnell beibringen. Und auf Minbar hätte unser Kind weitaus mehr Freiheiten als auf der Erde."
"Aber es würde immer am Rand der Gesellschaft stehen."
"Das ist nicht wahr", sagte Ria leicht beleidigt. "Ich lebe jetzt schon seit drei Jahren auf Minbar, und meine Familie und meine Freunde behandeln mich nicht wie eine Außenseiterin sondern akzeptieren mich so wie ich bin."
"Es ist doch nicht dein Ernst, dass du auf Minbar bleiben willst", entgegnete Alexander entsetzt. "Und ich kann doch nicht einfach so meine Familie und meine Heimat für immer verlassen."
"Aber von mir verlangst du, dass ich genau das tue!"
"Du hast doch gar keine Familie. Du hast mir selbst erzählt, dass deine Eltern tot sind und du nichts von deinen weiteren Verwandten weißt..."
"Ja was glaubst du denn sind Delenn und der Clan für mich?" unterbrach Rhiannon ihn wütend. "Ich bin bei ihnen zu Hause, und ich verdanke ihnen eine ganze Menge. Sie haben mir ein neues Leben geschenkt!"
"Falls du es vergessen haben solltest: Die Minbari hätten uns beinahe vernichtet!" schnappte Alex zurück. "Du schuldest ihnen gar nichts!"
"Das weiß ich auch", fauchte Ria. "Glaubst du denn im Ernst, ich würde bei Delenn bleiben, nur weil ich mich ihr gegenüber verpflichtet fühle? Sie ist fast wie eine Mutter für mich, und ich liebe sie, ob du das nun verstehst oder nicht! Ich werde auch auf Minbar bleiben, weil ich hier eine Aufgabe zu erfüllen habe."
"Du bist ja verrückt!" hielt Alex ihr entgegen. "Ich will nicht, dass mein Kind bei einem so brutalen Volk aufwächst!"
"Du vergisst dabei, dass es auch mein Kind ist!" schrie Rhiannon. "Und da ich es trage, werde ich es dort zur Welt bringen, wo ich will! Und das wird ganz bestimmt nicht auf der Erde sein. Von diesem Planeten bin ich schon zu oft enttäuscht worden."
"Du verbietest mir also den Umgang mit unserem Kind?" knurrte Alex.
"Nein, ganz sicher nicht", erwiderte Ria mit mühsam unterdrückter Wut. "Und wenn es zur Erde fliegen will, werde ich es sogar persönlich dorthin bringen, wenn es sein muss. Aber ich werde mein Kind auf Minbar zur Welt bringen, und es wird auch dort aufwachsen."
"Und dich interessiert gar nicht wie ich das sehe?"
"Das hast du ja wohl schon deutlich genug gesagt!" Rhiannon verschränkte die Arme, und ihre Augen funkelten zornig. "Und du kannst unser Kind jederzeit sehen, aber ich werde es ganz bestimmt nicht mitten in einer Bande von Lügnern und Betrügern großziehen!"
"Nimm das sofort zurück!" Alexander ballte die Hände zu Fäusten.
"Ach! Scher dich doch zum Teufel!" Ria stieß ihn beiseite und stürmte durch die Tür.
"Hey! Du kannst jetzt doch nicht so einfach abhauen!" schrie Alex ihr hinterher.
Doch Rhiannon war schon längst draußen und knallte die Tür hinter sich zu.

Delenn war äußerst besorgt darüber, als sie erfahren hatte, dass ihre Pflegetochter nicht mehr da war, genauso wenig wie der private Raumkreuzer. Bisher war Rhiannon noch nie einfach so, ohne jede Nachricht verschwunden.
Ohne lange zu zögern flog Delenn nach Yedor zurück, obwohl die Ratssitzungen noch nicht zu Ende waren. Aber niemand konnte ihr sagen, wo Ria hingeflogen war oder wann, beziehungsweise ob sie überhaupt zurückkommen würde.
Also blieb Delenn nichts anderes übrig als zu warten und zu hoffen, dass Rhiannon endlich wieder nach Hause kam, oder sich zumindest von irgendwo her meldete. Aber eigentlich gab es keinen Grund Angst um sie zu haben, immerhin waren auf dem Schiff ja auch noch zehn Leute bei ihr, die auf sie aufpassten.
Delenn wusste nicht wie lange sie in stiller Meditation verbracht hatte, um zu warten, als sie plötzlich hörte, wie die Haustür geräuschvoll geöffnet und gleich darauf zugeworfen wurde. Kein Zweifel, das musste Ria sein!
Delenn lief schnell in die Eingangshalle hinunter und atmete erleichtert auf, als sie Rhiannon sah, die offenbar verstimmt die Schuhe in die Ecke schleuderte.
"Ria, wo um alles in der Welt bist du gewesen? Was ist passiert?" fragte Delenn sanft.
Rhiannon reagierte nicht auf die Fragen, sondern blickte sie einfach nur stumm an. Delenn kam zu ihr, da endlich rührte sich Ria, lief ihr entgegen und ließ sich von ihr in die Arme schließen.
Delenn war völlig verwirrt, als sie merkte, dass Rhiannon hemmungslos weinte. Vorsichtig führte sie das Mädchen in ihr Zimmer, ohne sie loszulassen und strich ihr behutsam über das Haar, um sie zu trösten.
Nach einiger Zeit beruhigte sich Ria wieder ein wenig, und sie löste sich von Delenn. Rhiannon ging ans Fenster und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
"Alex und ich, wir haben uns getrennt", sagte sie mit zitternder Stimme.
"Oh, ich verstehe." Delenn hatte schon befürchtet, dass das geschehen würde.
"Gar nichts verstehst du!" zischte Ria aufgebracht. Sie drehte sich um und sah ihre Pflegemutter in einer Mischung aus Verzweiflung und Wut an. "Ich bin schwanger!"
"Was?"
Rhiannon zog den Schwangerschaftstest aus ihrer Hosentasche und warf ihn Delenn zu, die ihn geschickt auffing. "Hier, das Ergebnis ist positiv. Und Rakall hat es mir bestätigt."
"Wie ist das denn möglich?"
Ria starrte die Minbari an, als hätte sie den Verstand verloren. "Du erwartest doch etwa jetzt nicht von mir, dass ich dir erzähle wie menschliche Kinder entstehen..."
Delenn schüttelte den Kopf. "Wie lange wird es dauern, bis dein Kind zur Welt kommt?"
"Wenn ich richtig gerechnet habe, etwa acht Monate. Genau kann ich es nicht sagen."
Die Minbari lächelte aufmunternd. "Nun, ich denke, wir haben einen Grund zu feiern. Unsere Familie bekommt Zuwachs."
"Es tut mir leid", sagte Rhiannon und seufzte. "Mir ist nicht nach feiern zumute. Aber danke, dass du versuchst mich aufzumuntern."
"Dann schlaf dich erst einmal aus", entgegnete Delenn. "Du wirst sehen, morgen sieht alles ganz anders aus. Versuche morgen Alex anzurufen und in aller Ruhe mit ihm zu reden."
Ria lächelte matt. "Naja, versuchen kann ich es ja. Allerdings weiß ich nicht, ob Alex nach dem heutigen Tag noch mit mir reden will. Ich bin einfach abgehauen."
"Ich weiß, es geht mich ja eigentlich nichts an, aber worüber habt ihr euch denn so furchtbar gestritten?"
Rhiannon zog eine Grimasse. "Naja, Alex wollte, dass wir zusammen auf der Erde leben und unser Kind dort aufziehen. Als ich ihm sagte, dass ich auf Minbar bleiben möchte und mein Kind hier zur Welt bringen und großziehen will, haben wir uns angefangen zu streiten. Irgendwann war ich dann so wütend, dass ich ihn einfach stehen gelassen habe."
"Und Alex wollte nicht mit dir nach Minbar kommen?"
"Nein." Ria seufzte. "Er will seine Heimat und seine Familie nicht verlassen."
"Und warum wolltest du nicht mit ihm zur Erde fliegen?" fragte Delenn. "Die Erde war doch auch einmal dein Zuhause, und Arbeit hättest du bestimmt auch gefunden."
"Was?" Ria sah sie völlig entgeistert an. "Jetzt will ich dir mal etwas sagen: Minbar ist weitaus mehr meine Heimat, als es die Erde jemals war. Hier ist meine Familie, und das weißt du. Es verletzt mich, dass du mir so etwas überhaupt vorschlägst. Oder willst du, dass ich Minbar verlasse?"
"Nein, nein, natürlich nicht", entgegnete Delenn und drückte sanft die Hand ihrer Pflegetochter. "Du weißt doch, wie gerne ich dich bei mir habe. Es tut mir leid. Aber es spielt in dem Fall keine Rolle, was ich will, sondern was du für du für das Richtige hältst. Du solltest dich auf jeden Fall mit Alex aussprechen."
"Das werde ich", sagte Rhiannon. "Aber ich werde ganz sicher nicht mit ihm zur Erde fliegen. Die Leute dort beuten die Kolonien aus und betrügen sie. Ich kann und will ihnen nicht trauen. Mein Kind wäre auf der Erde nicht sicher."
"Es gibt nirgends hundertprozentige Sicherheit", erinnerte Delenn sie. "Gefahren lauern überall, auch hier."
"Ich weiß", erwiderte Ria fest. "Aber ich stelle mich Gefahren lieber mit Leuten entgegen, die ich liebe und denen ich vertrauen kann als mit Leuten, die ich überhaupt nicht kenne."
Delenn seufzte. "Was immer du tun wirst, du kannst dir sicher sein, dass ich dich unterstützen werde. Nur, leicht wird es wohl auf keinen Fall werden."
"Das hat ja auch niemand behauptet, oder? Außerdem: einfach ist es nie. Aber es geht immer irgendwie weiter, egal, was auch geschieht. Und ich weiß, dass ich auf dich zählen kann."
"Tja..." Delenn schüttelte erstaunt den Kopf. "Versuche jetzt ein wenig zu schlafen. Und morgen früh, wenn du ausgeruht bist, siehst du dann, was wird."
Rhiannon nickte. "Das werde ich, danke."
"Also dann, schlaf gut", sagte Delenn und ließ sie allein.

Als Rhiannon am nächsten Morgen versuchte, mit Alexander Kontakt aufzunehmen, meldete sich zu ihrem Erstaunen nicht er, sondern Yesol.
"Wo ist Alex?" fragte Ria sie. "Ich muss unbedingt mit ihm reden."
"Ich dachte, du wüsstest es bereits", entgegnete Yesol. "Er und seine Eltern sind vor zwei Stunden abgeflogen. Alle Menschen sind inzwischen auf dem Weg in ihre Heimat."
"Was?" Rhiannon sah die Minbari auf dem Bildschirm entsetzt an. "Ich dachte, sie wollten erst in ein paar Tagen nach Hause fliegen."
Yesol machte eine bedauernde Geste. "Die Station ist weg. Es gab also keinen Grund mehr für sie zu bleiben."
Ria murmelte einen deftigen menschlichen Fluch. "Und keiner hat es für nötig gehalten, mich zu informieren."
"Das tut mir leid, wir dachten, die Menschen hätten es dir gesagt."
"Schon gut", grummelte Rhiannon verärgert. "Es war ja nicht deine Schuld sondern mein eigener Fehler. Ich danke dir für die Auskunft."
"Gern geschehen", sagte Yesol und neigte den Kopf leicht.
Ria unterbrach die Verbindung.
Verstimmt lief das Mädchen hinunter ins große Wohnzimmer, wo Satai Delenn gerade dabei war, einige Berichte durchzulesen, auch ein Teil ihrer Arbeit als Mitglied des Grauen Rates.
Delenn sah auf, als Rhiannon ins Zimmer kam.
"Und? Hast du mit Alex gesprochen?"
"Er ist bereits auf dem Weg zur Erde," entgegnete Rhiannon aufgebracht. "Vor zwei Stunden ist er mit seinen Eltern abgeflogen. Ich konnte ihn also nicht mehr erreichen."
"Das tut mir leid."
"Ja, mir auch", brummte Rhiannon.
"Was hast du jetzt vor?" fragte Delenn. "Wirst du hinter ihm her fliegen?"
"Den Teufel werde ich tun!" platzte es aus Ria heraus. "Es ist vielleicht ganz gut, dass es so gekommen ist. Wie es nun weitergehen soll, muss ich mir erst überlegen."
"Und was wirst du jetzt machen?"
"Was wohl? Ich werde in den Tempel gehen, es wartet dort Arbeit auf mich. Ich bin ohnehin schon spät dran."
"Bist du sicher?" Delenn sah sie zweifelnd an. "Möchtest du heute nicht lieber noch ausruhen?"
"Nein", sagte Rhiannon. "Es ist höchste Zeit, dass ich meine Studien wieder aufnehme. Außerdem kann Rakall meine Hilfe als Assistentin sicher gut brauchen. Und Sech Duhran würde sich bestimmt auch wundern, wenn ich plötzlich nicht mehr in seine Klasse komme."
"Wie du meinst, das musst du wissen."
Ria nickte. "Eben. Außerdem möchte ich meiner Familie und meinen Freunden sagen, dass ich schwanger bin." Sie lächelte leicht. "Ich freue mich trotz allem doch auf das Kind. Und ein bisschen Bewegung wird mir und dem Baby sicher gut tun."
Delenn erwiderte das Lächeln. "Aber übertreibe es nicht."
"Werde ich nicht."
Den ganzen Tag über musste Rhiannon immer wieder an Alex denken. Sie wusste nicht, auf wen sie wütender war, auf sich selbst oder auf Alexander.
Ria ärgerte sich darüber, dass sie einfach so gegangen war, obwohl Alex bereit gewesen war, seinen Teil der Verantwortung zu tragen. So hätte es nicht enden müssen. Wenn sie alles in aller Ruhe ausdiskutiert hätten, hätten sie vielleicht einen Weg gefunden... Doch nun war es zu spät, die Beziehung war vermutlich für immer zerbrochen.
Rhiannon ahnte, selbst wenn sie jetzt zur Erde fliegen und Alex um Verzeihung bitten würde, würde das wahrscheinlich nichts ändern. Dazu hatte sie ihn wohl viel zu sehr verletzt.
Aber alle, denen Ria von der Schwangerschaft erzählte, vor allem der Clan, freuten sich sehr für sie, und das ließ sie ihren Kummer leichter ertragen. Sie war nur froh, dass niemand fragte, wer der Vater des Kindes war. So etwas galt bei den Minbari als äußerst indiskret.

Doch die nächsten Tage hatte Rhiannon ohnehin nicht viel Zeit um ins Grübeln zu kommen. Wenn sie nicht gerade im Tempel oder beim Training war, musste sie Delenn zu stundenlangen Debatten vor dem Ältestenrat begleiten.
Das Verschwinden von Babylon 4 hatte überall, vor allem aber bei den Minbari, großes Aufsehen erregt, es wurde praktisch von nichts anderem geredet.
Ria fragte sich, ob die Minbari vielleicht wussten - oder zumindest ahnten - was mit Babylon 4 geschehen war. Es ärgerte sie, dass sie an den Beratungen nicht teilnehmen durfte - nur Mitglieder des Ältestenrates und des Grauen Rates, höchstens noch einigen wenigen anderen Personen war es erlaubt dabei zu sein.
Dem Publikum war nur bei den Anhörungen erlaubt zuzusehen, wenn Leute ihre Anliegen vorbrachten oder eine Aussage machten. Aber die Entscheidungen wurden immer im geheimen getroffen und dann erst verkündet.
Delenn sah besorgt zu der neben ihr stehenden Rhiannon, die sehr blass war.
"Ist dir immer noch schlecht?" raunte Delenn ihrer Pflegetochter zu.
Ria stöhnte fast unhörbar. "Nein, keine Bange, die die-Seele-aus-dem-Leib-kotzen-Phase ist für heute ausgestanden"
Hoffentlich, fügte sie in Gedanken hinzu, denn sie fühlte sich hundeelend.
"Gut", entgegnete Delenn.
Drei Wochen dauerten die Debatten nun schon an, und Rhiannon musste erneut vor dem Rat aussagen. Sie sollte die Ergebnisse darlegen, die ein kurzfristig auf die Beine gestelltes Untersuchungsteam, das ausschließlich aus Menschen bestand, ermittelt hatte.
Eigentlich war das reine Zeitverschwendung, denn die Leute hatten absolut nichts Neues entdeckt, was einen Hinweis auf das Schicksal von Babylon 4 geben konnte. Das Untersuchungsteam wollte die Ermittlungen abbrechen und nach Hause fliegen, da sie keine Ergebnisse erwarten konnten.
Als Ria das alles der Versammlung unterbreitete, waren sie nicht sehr begeistert davon, aber im Prinzip schienen sie gar nichts anderes erwartet zu haben.
Nachdem sie den ganzen Vormittag bei diesen fruchtlosen Debatten verbracht hatte, war Rhiannon völlig entnervt. Es war aber auch zu frustrierend! Einfach nichts ging voran!
Naja, wenigstens war diese scheußliche Übelkeit, die sie fast verrückt machte, für heute überstanden, und sie begann sich etwas besser zu fühlen.
Am Nachmittag fanden abschließende Beratungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ria nutzte die Zeit, um ein wenig auf dem Markt spazieren zu gehen und das sommerliche Wetter auszukosten.
"Und? Was ist jetzt mit Babylon 4?" fragte Rhiannon Delenn, als sie sich zum Abendessen zu Hause trafen.
"Das wissen wir auch nicht. Das Thema ist zu den Akten gelegt worden. Aber wer weiß? Vielleicht gelingt es uns eines Tages, dieses Geheimnis zu lüften."
"Glaubst du?" Ria streute etwas Süßstoff, der eigentlich für den Tee gedacht war, über ein eher pikant gewürztes Stück Gemüse.
Delenn bemerkte es. "Wir werden sehen... Sag mal, was tust du da eigentlich?"
Rhiannon sah sie verwundert an. "Ich esse." Sie stopfte sich das Gemüse in den Mund.
Delenn schüttelte schaudernd den Kopf. Ria hatte schon seit einiger Zeit so merkwürdige Essgewohnheiten. Delenn vermutete, dass das mit der Schwangerschaft zu tun hatte.
"Heißt das, das Thema Babylon 4 ist abgeschlossen?" fragte Rhiannon.
"So wie es aussieht, ja. Wir können, im Moment zumindest, nichts machen", entgegnete Delenn.
"Hm", machte Ria nur. "Aber trotzdem würde mich interessieren, was mit der Station passiert ist. Die Berichte sind so vage, dass sich aus ihnen kaum etwas erschließen lässt."
"Das können wir auch nicht ändern."
Rhiannon musterte Delenn. "Du weißt also auch nichts darüber?"
"Wieso glaubst du, ich könnte etwas darüber wissen?"
Ria lächelte leicht. "Denkst du vielleicht, ich wüsste nicht, dass du mir einiges verschweigst, aus welchen Gründen auch immer? Ich habe nur keine Fragen gestellt, weil ich dir vertraue."
Delenn bedachte sie mit einem liebevollen Blick. "Nun... das Verschwinden von Babylon 4 kommt für uns im Nachhinein nicht ganz unerwartet. Aber wir ahnen nur, was hier geschehen ist. Wenn wir die Prophezeiungen richtig deuten, wird die Station einen Kreis schließen und den Pfad für die Zukunft öffnen."
"Wie meinst du das?"
"Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen." Delenn seufzte. "Wie die Prophezeiung sich erfüllen wird, weiß ich nämlich selbst noch nicht. Aber früher oder später werden wir es erfahren."
Rhiannon runzelte nachdenklich die Stirn. Nicht zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass die Zukunft etwas Besonderes für sie bereit hielt, eine Aufgabe, die keinesfalls leicht sein würde. Und das bezog sich nicht nur auf das Kind, das sie erwartete.


Fortsetzung: Kapitel 18


Jennifer Fausek
17.09.2002
Website von Jennifer Fausek

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