Rhiannons Geschichte: 37. Kapitel
(von Jennifer Fausek)
Der Tag der Vereidigung, mit dem die Ausbildung endgültig abgeschlossen wurde, war sonnig und heiß, ein wundervoller Tag im frühen Sommer.
Rhiannon war in ihrem Quartier und betrachtete sich kurz im Spiegel. Sie trug nun zum ersten mal die in verschiedenen brauntönen und schwarz gehaltene Uniform der voll ausgebildeten Anla'shok. Die Kleidung saß tadellos.
Ria befestigte gerade die grüne Brosche an der Uniformweste, als die Tür zu ihrem Zimmer geöffnet wurde und Shakara hereinkam.
"Bereit?" fragte die Kriegerin lächelnd.
Rhiannon atmete tief durch, erwiderte das Lächeln und nickte dann. "Ja, ich denke schon."
"Sehr gut." Shakara wurde wieder ernst. "Bevor wir jetzt gehen, gibt es da noch etwas, worüber ich mit dir reden muss. Eigentlich wollte ich dir nichts davon sagen, aber ich denke, du hast es dir verdient, es zu erfahren..."
"Worum geht es?"
"Ich habe dir noch nichts vom rituellen Denn'sha erzählt", entgegnete die Kriegerin mit fast ausdruckslosem Gesicht und wich Rias Blick aus. Sie betrachtete sie nur im Spiegel.
"Denn'sha, 'Kampf bis zum Tod'?" Rhiannon runzelte verwirrt die Stirn. "Ich dachte immer, Minbari töten nie Minbari..."
"Das tun sie auch nicht." Nun sah Shakara sie doch an. "Wenn zwei Leute im Denn'sha gegeneinander kämpfen, sind sie für ihren eventuellen Tod selbst verantwortlich, niemals der Gegner."
Haarspaltereien, dachte Ria.
"Allerdings wurde das Denn'sha seit tausend Jahren nicht mehr ausgeführt, aber es hat trotzdem noch heute seine Gültigkeit. Du darfst das Ritual niemals leichtfertig ausrufen, denn es hat seine Berechtigung nur, wenn zum Beispiel ein Anla'shok zum Verräter wird und sich weigert, sich dafür zu verantworten und ähnliche Dinge."
"Welche ähnliche Dinge?"
"Glaube mir, wenn es soweit kommt, wirst du es ganz genau wissen."
"Das Denn'sha hat für die Anla'shok also große Bedeutung", sagte Rhiannon nachdenklich.
"Und ob", entgegnete Shakara. "Und nicht nur für sie, sondern auch für viele Leute aus der Kriegerkaste. Und dass du mir ja nicht mit Außenweltlern über dieses Ritual sprichst. Du bist nämlich die einzige Fremde, die davon weiß."
"Werde ich schon nicht."
Die Kriegerin nickte knapp. "Und noch was: es ist strengstens verboten, Schwangere, Kinder, Verwundete, Kranke oder sonst irgendwie geschwächte Personen herauszufordern."
"Ich werde es mir merken."
Die Kriegerin wiegte ihren Kopf bedächtig. "Also dann, du Göre, gehen wir."
Es waren nur wenige Außenstehende zu der Vereidigung gekommen, und die meisten von ihnen waren Eltern oder Geschwister der zukünftigen Anla'shok. Von Rias Familie und Bekannten kamen nur Delenn, die Zora mitgebracht hatte und Nistel, der es sich nicht hatte nehmen lassen, dabei zu sein.
Viele der Anla'shok und der Leute vom Personal kamen zu der kleinen Feier, die - wie die Willkommenszeremonie - vor dem ersten der drei Tempel stattfand. Satai Jenimer und Rathenn, sowie Alyt Neroon waren ebenfalls dabei.
Delenn saß mit der sehr zappeligen Zora auf ihren Knien bei der Handvoll Schaulustigen von außerhalb, als Rhiannon mit den anderen aus ihrer kleinen Gruppe nach vorne in die erste Reihe kam. Delenn fand, dass Ria in ihrer Uniform gut aussah. Unter all den Leuten war sie leicht herauszufinden, sie war der einzige Mensch unter lauter Minbari.
Es wurden Gebete gesprochen, um um Segen, Schutz und Kraft für die künftigen Anla'shok zu bitten. Dann rezitierten alle anwesenden Mitglieder der 'Armee des Lichts' den heiligen Eid.
",Ich bin ein Anla'shok. Wir wandeln an jenen dunklen Orten, die niemand sonst betritt. Wir stehen auf der Brücke, und niemand wird sie passieren. Wir leben für den Einen, wir sterben für den Einen'"
Rhiannons Stimme mischte sich mit denen der anderen Anla'shok, als sie die Worte ohne zu zögern und mit voller Überzeugung sagte.
Sie sah zu Jenimer und entdeckte neben ihm Neroon. Sie erstarrte für einen Augenblick. Was hatte der Krieger denn hier zu suchen? Und was noch viel wichtiger war: Was hatte er mit dem Gewählten zu schaffen?
Schon waren sie und die anderen Neulinge von den 'alten Hasen' umringt, die ihnen gratulierten. In dem Gedränge verlor Ria Neroon aus den Augen. Alles in allem war es eine nette kleine, wenn auch etwas einfach gehaltene Abschlussfeier, die nach der monatelangen harten Arbeit mehr als verdient war.
Satai Jenimer gratulierte allen fünf Neulingen persönlich. Als er als letztes zu Rhiannon kam, lächelte er wohlwollend. "Herzlichen Glückwunsch, mein Kind."
Ihr Gesicht verfinsterte sich für einen Augenblick. "Warum nennen Sie mich immer noch ein Kind?"
"Oh, entschuldige, du bist natürlich längst kein Kind mehr. Aber in meinem Alter..." Jenimer winkte ab. "Naja, lassen wir das. Ich hoffe nur, ich habe das Richtige getan, als ich mich entschlossen habe, deinen Beitritt zu den Anla'shok zu unterstützen."
"Sie haben es also durchgesetzt, dass ich die Ausbildung machen durfte, obwohl ich ein Mensch bin..." Ria wusste einfach nicht, was sie davon halten sollte.
Jenimer nickte. "Ich wusste, dass die Anla'shok dein Weg sind. Wäre ich mir dessen nicht sicher gewesen, hätte ich dir niemals geholfen."
"Ich bin sehr dankbar für Ihre Hilfe." Rhiannon verneigte sich höflich. "Ich versichere Ihnen, ich werde immer den Weg meines Herzens gehen."
"Dann ist es gut." Der Gewählte berührte sie segnend an der Wange.
Ria ging zu ihrer Familie hinüber, die schon wartete. Zora lachte und streckte ihr die Arme entgegen, denn sie wusste sehr genau, wer ihre Mutter war.
"Mama", sagte die Kleine unmissverständlich auf minbari. Sie konnte schon seit einiger Zeit sprechen, allerdings nur minbari und kein Erdstandard.
Rhiannon nahm sie und setzte sie sich auf die Hüfte. Zora spielte sofort am Anla'shok-Abzeichen herum, und Ria ließ sie gewähren.
Delenn lächelte und nahm ihre Pflegetochter samt Kind in die Arme. "Ich bin stolz auf dich."
"Ich auch", fügte Nistel hinzu und umarmte Ria ebenfalls.
"Ich danke euch beiden", sage Rhiannon gerührt.
Dann nahm sie mit einem Blick auf Neroon Delenn beiseite.
"Was hat er denn hier zu suchen?" raunte ihr Ria zu, indem sie mit dem Kopf auf Neroon deutete.
"Er ist einer der Kandidaten, der eventuell als Anführer der Anla'shok in Frage kommt", erklärte Delenn.
Rhiannon blieb für einen Moment die Luft weg. Sie wusste nicht, was sie mehr schockierte: Die Tatsache, dass sie überhaupt eine Antwort bekommen hatte oder die Aussicht, dass Neroon vielleicht ihr Anführer werden würde.
"Das kann doch nicht dein Ernst sein! Er mag die Truppe nicht einmal!"
"Ich weiß." Delenn hob beschwichtigend die Arme. "Mach dir keine Sorgen, noch ist es nicht soweit."
Ria sah sie entsetzt an. "Das sagst du so leicht."
Sie wurden unterbrochen, als Shakara kurz zu ihnen kam. Sie klopfte Ria auf den Rücken.
"Herzlichen Glückwunsch, Göre", sagte die Kriegerin anerkennend. "Du hast dich wirklich hervorragend gemacht. Du wirst sicher eine gut Anla'shok sein."
"Nanu, und solche Worte von dir?" Rhiannon gab sich erstaunt, aber sie lächelte freundlich, damit es sich nicht ganz so böse anhörte wie es klang. Es war ohnehin nur ein halbherziger Scherz gewesen. Der Schrecken saß ihr immer noch in den Knochen.
Shakara knuffte sie. "Ja, aber lass es dir bloß nicht zu Kopf steigen."
Da ihre Ausbildung nun beendet war, zog Rhiannon zurück nach Yedor. Anla'shok, die ihre Schulung abgeschlossen hatten, durften wohnen wo sie wollten, solange sie keine ausdrücklichen Befehl bekamen, im Lager zu bleiben. Aber egal wo die Anla'shok dann auch wohnten oder eingesetzt wurden, sie alle hatten ein Zimmer in der Basis.
Eigentlich wäre Ria ganz gerne nach Tuzanor übersiedelt, denn es gefiel ihr dort viel besser als in Yedor. Da aber ihre Familie in Yedor bleiben wollte, zog sie eben wieder in ihre alten Zimmer in Delenns Haus.
Rhiannon flog praktisch jeden Tag mit dem Vier-Personen-Atmosphärengleiter, den sie sich gekauft hatte, nach Tuzanor, um im Zentrum der Anla'shok zu trainieren und um sich über alle Entwicklungen auf dem laufenden zu halten.
Da sie nun keine Rekrutin mehr war, wollte sie endlich ein Raumschiff haben, um auf Patrouille und auf die Suche nach den Schatten gehen zu können. Ria wusste, dass die Anla'shok früher eigene Schiffe in den verschiedensten Größe gehabt hatten, aber nicht wo sie waren und ob sie überhaupt noch existierten.
Rhiannon redete mit ihrem früheren Leitwolf darüber. "Ich brauche unbedingt ein Scoutschiff. Die Anla'shok hatten doch eigene Schiffe. Was ist denn mit denen?"
"Komm, ich werde es dir zeigen", erwiderte Shakara.
Sie führte Ria zu einem der abgeschlossenen Hangar und öffnete ihn mit einem Code, den sie der jungen Anla'shok gab. Rhiannon lächelte in freudiger Erwartung, als sie durch das große Tor trat und darauf wartete, dass die Lichter an der hohen Decke angingen.
Im Inneren der riesigen Halle befanden sich eine Menge Raumschiffe in den verschiedensten Größen - oder besser gesagt das, was von ihnen noch übrig war. Keiner der Kreuzer war mehr gut erhalten, ja sie waren, wie es aussah alle beschädigt.
"Das sind die Schiffe", erklärte Shakara.
Rhiannons Lächeln verfloss wie Butter auf einer heißen Kartoffel. Sie sah sich fassungslos um und nahm eines der Trümmerteile in die Hand.
"Diese Raumkreuzer sind tausend Jahre alt", fügte die Kriegerin hinzu.
"Das ist ja kaum zu übersehen", entgegnete Ria und ließ das Metallteil wieder fallen. "Das hier sind keine Schiffe, das ist Schrott. Von denen ist bestimmt nicht eines flug- geschweige denn raumtauglich!"
"Die Anla'shok haben eben keine Mittel für eigene Schiffe", sagte Shakara und vollführte eine bedauernde Geste.
Rhiannon seufzte. "Dann werde ich eben eines der Scoutschiffe reparieren müssen."
"Na dann viel Glück", brummte Shakara. "Wenn ich du wäre, würde ich Satai Delenn um einen Raumkreuzer bitten. Sie könnte dir einen bauen lassen, wenn du das willst."
"Ich werde niemanden aus dem Grauen Rat um irgend etwas bitten, erst recht nicht Delenn oder den Gewählten", erwiderte Ria kühl. "Sie haben schon zu viel für mich getan."
"Wie du willst", sagte die Kriegerin gleichgültig.
"Was ich brauche werde ich mir hier zusammensuchen", murmelte Rhiannon, während sie sich weiter umsah. "Und was ich hier nicht finde, werde ich dann schon irgendwo auftreiben, das dürfte nicht so schwierig sein."
"Wie du meinst", brummte Shakara. "Solange du nichts anderes hörst, kannst du hier alle Teile verwenden, die du haben willst. Werkzeug müsste hier auch irgendwo sein."
"Ich werde schon alles finden, was ich brauche", meinte Ria zuversichtlich. Sie zog ihre Uniformweste aus und machte sich an die Arbeit.
Shakara schüttelte nur missbilligend den Kopf und ging.
In den nächsten Wochen arbeitete Rhiannon unermüdlich an dem Raumkreuzer. Sie hatte das besterhaltenste Scoutschiff herausgesucht, das etwa dreizehn Meter lang, sieben Meter breit und zweieinhalb Meter hoch war und zirka sechs bis sieben Leuten Platz bieten konnte, inklusive Pilot und Copilot.
Ria bereitete die Arbeit viel Mühe. Sie musste praktisch alle Systeme ersetzen oder zumindest reparieren. Einige Tage lang arbeitete Rhiannon alleine an dem Raumschiff.
Hadenn bemerkte, dass Ria viel Zeit im Hangar verbrachte. Einmal ging er ihr nach, und als er sah, was sie machte, beschloss er, ihr seine Hilfe anzubieten.
Hadenn kam in den Hangar, um Rhiannon kalten Tee zur Erfrischung zu bringen. Erst einmal konnte er sie nicht finden, denn bei ihrem Schiff war sie nicht, und der Hangar war voller Gerümpel.
"Ria?" fragte er und sah sich um.
"Hier!" schallte die Antwort von weiter hinten aus dem Hangar zurück, und gleich darauf tauchte Rhiannon zwischen zwei Wracks auf, Gesicht, Hände und Kleidung beschmutzt und den Teil eines Computermoduls in der rechten Hand.
Sie lächelte, als sie ihren Kollegen und guten Freund sah. "Hallo Hadenn. Was hast du da?"
Hadenn gab ihr das Gefäß das er in der Hand hielt. Es sah wie eine Thermoskanne aus. "Ich habe dir etwas zu trinken mitgebracht."
"Prima", sagte sie und nahm die Kanne entgegen. Sie trank ein paar Schlucke. "Aber was machst du hier eigentlich?"
"Ich wollte mich nur erkundigen, ob du Hilfe brauchst, bei was immer du da machst." Er sah sich ein wenig um.
Ria überlegte kurz. "Klar, nur zu, ich bin für jede Hilfe dankbar."
Hadenn folgte ihr das kurze Stück zu ihrem Shuttle und schüttelte zweifelnd den Kopf, als er um es herumging und es genauer betrachtete.
"Du wirst dieses Ding doch niemals zum Fliegen bringen", meinte er skeptisch. "Es fällt doch schon auseinander, wenn du's nur ein bisschen zu scharf ansiehst. Da wird es einen ersten Flug erst recht nicht überstehen."
Rhiannon grinste amüsiert. "Denkst du? Das hier ist doch nicht die Titanic."
"Die Titanic?" fragte Hadenn.
"Ein riesiges Dampfschiff mit vier Schornsteinen, das vor einigen Jahrhunderten auf den Ozeanen der Erde gefahren ist", erklärte Ria. "Sie galt als unsinkbar."
"Und? Ist sie gesunken?"
Rhiannon nickte. "Gleich auf ihrer ersten Fahrt. Sie rammte einen Eisberg. Etwa tausendfünfhundert Personen sind bei diesem Unglück ums Leben gekommen. Es war eine der größten, wenn nicht die größte Schifffahrtskatastrophe in der Geschichte der Erde überhaupt und wohl auch die berühmteste." Sie dachte eine Weile lang nach, während sie das Scoutschiff betrachtete, das mehr wie Schrott als ein Raumgleiter aussah. "Wenn ich's mir recht überlege, wäre Titanic eigentlich gar kein schlechter Name für das Schiff."
"Du willst dein Schiff Titanic nennen?" Hadenn musste lachen. "Ihr Menschen habt also nicht nur einen verdrehten Sinn für Humor, ihr seid auch noch verrückt."
Rhiannon verzog gespielt beleidigt das Gesicht. "Und ihr Minbari seid zu abergläubisch."
Einige Wochen lang arbeiteten sie zusammen an dem Schiff. Hin und wieder kamen auch die anderen, um ihnen zu helfen.
Die meisten Kabel waren kaputt. Sie waren entweder verschmort oder zerbrochen.
Rhiannon schickte Hadenn los, um einige Kristallkabel zu besorgen. Als er nach über einer Stunde endlich wieder mit einer Kiste voller Kabeln zurückkam, war Ria gerade dabei, einiges von dem Gerümpel aus dem Schiff zu räumen.
Als sie Hadenn sah, lächelte sie. "Ah, prima. Du hast die Kristallkabel bekommen."
Sie nahm ihm die Kiste ab und verschwand damit im Inneren des Raumgleiters. Hadenn folgte ihr bis zur Luftschleuse und sah dabei zu, wie sie mit den Computerteilen und den Kristallkabeln herumhantierte. Plötzlich gab es ein leises, zirpendes Summen und mit einem mal ging die Beleuchtung an der Decke des Schiffes an.
"Was ist passiert?" rief Hadenn laut, damit Ria, die unter einer Konsole im Cockpit lag, ihn auch hören konnte.
"Die Energieversorgung des Schiffes funktioniert endlich wieder." Rhiannons Stimme klang seltsam dumpf. Sie kam unter dem Computer hervor und wirkte überaus zufrieden. "Jetzt den Rest noch hinzukriegen dürfte leicht sein."
"Ich weiß nicht..." murmelte Hadenn, glücklicherweise so leise, dass Ria es nicht hörte, als er das Chaos im Inneren des Scoutschiffes begutachtete, das noch immer ein Trümmerfeld war.
Sie bastelten auch weiterhin gemeinsam an dem Raumschiff herum, und zum Erstaunen aller gelang es ihnen in den nächsten drei Wochen tatsächlich, das kleine Scoutschiff wieder instand zu setzen.
Die Titanic verfügte über einen eigenen Sprungantrieb, mit dem es möglich war, auch ohne ein Sprungtor, das viele Schiffe benötigten, in den Hyperraum zu tauchen. Durch ihre eigenhändig aufgerüsteten Antrieb war die Titanic sehr schnell und wendig.
Außerdem hatte Ria aus den Einzelteilen und mit etwas Improvisation Waffen zusammengebaut, die ungefähr so leistungsstark waren wie die eines minbarischen Kriegsschiffes.
Die beiden Sauerstofftanks gemeinsam konnten einen Luftvorrat für zwei Monate aufnehmen (Ria hatte es leider nicht geschafft, ein Recyclingsystem zu beschaffen oder zu konstruieren, wie es auf Raumstationen oder in den Kuppeln der Kolonien, die sich in lebensfeindlicher Umgebung befanden, benutzt wurde).
In der Passagierkabine waren ein paar Sitzplätze, die nebeneinander an der rechten Wand lagen. Über den Sitzen gab es ein großes verschließbares Gepäckfach. Gegenüber hatte Ria eine Hängematte angebracht, um einen Platz zum Schlafen zu haben, denn die Sessel waren zum Schlafen zu unbequem, und Platz für ein Bett gab es nicht. Das Schiff war ursprünglich ja auch nicht für längere Missionen gebaut worden. Zudem hatte sie eine vier Meter lange und drei Meter breite Hygienezelle eingebaut.
Ein hübscher dunkelblauer Perlenvorhang war am schmalen Durchgang zum Cockpit angebracht, das sich in einem eleganten, abgerundeten Dreieck an die Passagierkabine anschloss, und deshalb ein wenig rundlich und nicht ganz so breit war, wie der Rest des Schiffes.
Als die beiden jungen Anla'shok ihre Arbeit am Scoutschiff beendet hatte, ließ Ria es ihre Freunde besichtigen. Laiann sah sich die Titanic als erste an.
"Und? Gefällt sie dir?" fragte Ria gespannt.
"Ihr habt wirklich gute Arbeit geleistet", meinte Laiann und deutete auf die Hängematte. "Nur, was, um alles in der Welt, ist das?"
"Eine Hängematte", erklärte Rhiannon. "Zum Schlafen."
Die beiden Minbari sahen einander erstaunt an. "Ist das nicht sehr unbequem?" wollte Hadenn wissen.
Ria lachte. "Überhaupt nicht. Übrigens, ich werde in einer halben Stunde einen ersten Testflug machen. Will jemand von euch mitkommen? Es ist genügend Platz im Kontrollbereich für drei Personen."
"Nein, lieber nicht", sagte Laiann. "Wer weiß, ob die Titanic auch wirklich fliegt."
"Ich denke genau so", stimmte Hadenn zu. "Versuche es zuerst allein."
Rhiannon lächelte amüsiert. "Feiglinge. Na schön, dann werde ich eben alleine starten."
Nachdem sie alle Systeme noch einmal gründlich gecheckt hatte, startete sie mit der Titanic. Bei den Versuchen auf dem Boden hatte alles einwandfrei funktioniert, aber natürlich konnten Schwachstellen erst bei praktischen Tests ausgemacht werden.
Ria aktivierte den Sprungantrieb, sobald sie aus der Atmosphäre von Minbar geflogen war, und tatsächlich öffnete sich ein Raumfenster. Rhiannon flog zu einem Asteroidenfeld, das etwa eine halbe Stunde von Minbar entfernt war. Die Kriegerkaste trainierte dort manchmal.
Die Steuerung funktionierte besser, als Ria erhofft hatte, sie konnte ohne größere Probleme in dem breiten Asteroidengürtel manövrieren.
Nun waren die Waffen an der Reihe. Rhiannon nahm einen der durch das All fliegenden Felsbrocken ins Visier und schoss. Ein grüner Plasmastrahl zuckte durch den Weltraum. Er traf den Asteroiden, der darauf hin in hunderte winzige Stückchen zerbarst.
Ria war mehr als zufrieden. Das Schiff hatte die ersten Tests gut überstanden. Also ging sie weiter und strapazierte die Systeme bis an das Sicherheitslimit und dann sogar darüber hinaus.
Rhiannon flog nach Hause zurück und lächelte, als sie Minbar wieder ins Sichtfeld bekam. Vom Weltall aus sah der Planet auf eine unspektakuläre Weise schön aus. Die Landmassen waren grau und weiß, und die großen Gewässer zeichneten sich in einem türkis schimmernden Farbton ab. Das alles war eingehüllt in eine hauchdünn scheinende azurblaue Atmosphäre. Wolken überzogen Teile der Welt.
Ria landete die Titanic sicher im Lager der Anla'shok. Sie wurde schon von Hadenn erwartet.
"Und? Wie ist es gelaufen?" wollte er wissen.
"So weit so gut", entgegnete Rhiannon. "Allerdings habe ich keine Ahnung, ob ich dieses Schiff im Kampf gegen die Schatten einsetzen kann. Ich habe die Titanic zwar schwer bewaffnet, aber sie ist trotz alledem nur ein Scoutschiff."
"Bis es soweit ist, wird der Graue Rat uns hoffentlich mit guten Kriegsschiffen ausrüsten", sagte Hadenn.
"Das hoffe ich auch."
Fortsetzung: Kapitel 38
Jennifer Fausek
17.09.2002
Website von Jennifer Fausek
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