Rhiannons Geschichte (2. Band): 15. Kapitel
(von Jennifer Fausek)
Sinclair hatte eigentlich erwartet, dass ihn wenigstens ein kleines Empfangskomitee begrüßen würde, als er am späten Nachmittag mit einem kleinen Schiff, das der Regierung der Erde gehörte, auf Minbar ankam.
Aber bis auf einen schon älteren unscheinbaren Minbari war niemand sonst da, um ihn zu begrüßen, als er am Raumflughafen von Yedor landete.
"Mein Name ist Rathenn", stellte sich der Minbari vor und verneigte sich höflich. "Ich bin hier, um Sie in Ihr Hotel zu bringen, Botschafter."
Der Mann sprach perfektes Erdstandard. Sinclair lächelte dünn. "Vielen Dank."
Rathenn winkte einem Minbari, der offenbar aus der Arbeiterkaste stammte und bisher im Hintergrund gewartet hatte. Er kam sofort herbei geeilt und nahm Sinclair das wenige Gepäck ab, das er hatte mitnehmen können.
"Das hier ist Venak", erklärte Rathenn. "Er arbeitet auch in der Botschaft."
"Es freut mich, Sie kennen zu lernen", sagte Sinclair höflich. Doch Venak blieb stumm und hielt den Blick weiterhin gesenkt.
"Wir sollten jetzt besser gehen", mischte sich Rathenn ein, bevor das Schweigen unangenehm werden konnte.
"Ja natürlich", entgegnete Sinclair und kam sich ziemlich dumm vor. Minbari aus der Arbeiterkaste redeten normalerweise nicht viel.
Sie fuhren mit einem großzügig ausgestatteten Bodenfahrzeug zu einem der luxuriösesten Hotels von Yedor, das für Außenweltler bestimmt war und direkt beim Regierungsviertel lag.
"Werden Sie mein Attaché sein?" fragte Sinclair unterwegs.
Rathenn schüttelte den Kopf und konnte sich dabei ein Lächeln nicht ganz verkneifen. "Oh nein, aber ich werde Ihnen ebenfalls zur Seite stehen, soweit Sie das wünschen. Riann wird ihr eigentlicher Attaché sein."
"Wer ist Riann?"
"Sie ist Delenns Pflegetochter."
Sinclair sah den Minbari überrascht an. Das wollte mir Delenn also noch sagen, bevor sie in die Crysalis ging... "Ich wusste gar nicht, dass Delenn eine Tochter hat."
"Pflegetochter", korrigierte Rathenn und zog eine Grimasse. "Riann ist nicht Delenns leibliche Tochter. Sie ist ein... Findelkind."
"Und wann kommt diese Riann nach Minbar?", wollte Sinclair wissen.
"Oh, sie ist bereits hier..."
"Warum hat sie mich dann nicht abgeholt?"
Rathenn rutschte unangenehm berührt auf seinem Sitz hin und her. "Nun ja, Riann muss noch einige Dinge vorbereiten. Außerdem wollte sie eigentlich gar nicht Ihr Attaché sein."
Er verzog das Gesicht leicht "Der Graue Rat hat es ihr befohlen, und sie war alles andere als glücklich darüber. Ich fürchte, sie mag keine Menschen von der Erde..."
Sinclair nickte nur. Das war zu erwarten gewesen. "Kennen Sie Riann gut?"
"O ja, wir kennen uns schon seit ein paar Jahren."
"Und? Kann ich ihr trauen?" fragte Sinclair.
Rathenn überlegte kurz. "Nun, sie wird Ihnen jedenfalls nicht absichtlich Schaden zufügen oder gar versuchen, Sie umzubringen. Sie wird ihre Pflicht erfüllen."
Wenigstens etwas, dachte Sinclair. "Gut."
Rathenn seufzte kummervoll. "Allerdings bedeutet das noch lange nicht, dass Riann ihre Pflicht auch gerne erfüllt."
Er druckste ein wenig herum. "Sie ist noch jung, und sie kann manchmal sehr stur sein. Manchmal handelt sie etwas vorschnell und unüberlegt."
"Ich dachte immer, Minbari handeln nie vorschnell und unüberlegt", entgegnete Sinclair erstaunt. "Ich habe bisher immer geglaubt, das sei eine menschliche Charaktereigenschaft."
"Na ja, eigentlich..." Rathenn unterbrach sich erleichtert, als das Fahrzeug hielt. "Oh, wir sind da. Soll ich mit Ihnen kommen und Ihnen helfen, sich ein wenig einzurichten?"
"Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen, aber das ist wirklich nicht nötig", sagte Sinclair. "Wenn ich ehrlich sein soll, will ich nur noch unter die Dusche und dann schlafen gehen. Ich bin schon seit mehr als vierundzwanzig Stunden auf den Beinen."
"Wie Sie wünschen." Rathenn deutete eine Verbeugung an. "Morgen früh werde ich Sie zu Ihrem Büro bringen und Ihnen alles zeigen."
Er lächelte leicht, aber das verdeckte einen Anflug von Besorgnis nicht ganz. "Und Sie werden morgen auch Riann kennen lernen."
Botschafter Sinclair nickte. "In Ordnung."
Als er die Tür des Fahrzeuges öffnete, kamen sofort drei Minbari herbeigeeilt, die sein Gepäck nahmen und ihn ohne Worte in den obersten Stock des Hotels geleiteten. Sie gingen dann gleich wieder, bevor Sinclair ihnen Fragen stellen konnte.
Die kleine Penthouse-Suite, die für ihn hergerichtet worden war, war mit unaufdringlichem Luxus ausgestattet.
Die Zimmer waren, wie auf Minbar allgemein üblich, auch in normalen Häusern, in drei Bereiche unterteilt: Den Wohnraum, das Schlafzimmer und das Bad.
Im großen Wohnraum lag ein kostbar aussehender rot, weiß und blau gemusterter Teppich. Darauf stand ein großer, etwa vierzig Zentimeter hoher Tisch aus Glas und Metall, der die Form eines Dreiecks hatte. An jeder Seite des Tisches lag ein dunkles Kissen.
Außerdem stand an der Wand ein kleiner Altar, vor dem ein rotes Meditationskissen lag. Es gab einige gläserne Regale für persönliche Gegenstände.
Von den großen Fenstern aus konnte Sinclair im Hintergrund die nahen Berge und Teile der Stadt sehen.
Das Schlafzimmer war wesentlich kleiner als der Wohnraum und völlig fensterlos, was auch typisch auf Minbar war.
Es war nur spärlich ausgestattet, mit einem Bett, einem hübschen mehrteiligem Kleiderschrank, einem Nachtkästchen und einem Becken für glühende Steine, die jetzt im Sommer aber nicht gebraucht wurden.
Das Badezimmer war sehr hell. Als Badewanne und Dusche diente ein steinerner Pool, in dem Wasser aus einer Art Miniaturwasserfall floss.
Irgendwo rann das Wasser wohl ab, damit es wieder gereinigt werden konnte. Es erinnerte Sinclair ein wenig an ein Motelzimmer in New Vegas, in dem er mal gewesen war, nur wirkte es hier viel spiritueller.
Nachdem er sich überall umgeschaut hatte, brachte Sinclair sein Bett, das um dreißig Grad geneigt war, in waagrechte Position.
Minbari schliefen immer in Betten, bei denen das Kopfende weitaus höher war als das Fußende, weil sie glaubten, sie würden den Tod anlocken, wenn sie in waagrechten Betten schliefen. Wie Sinclair vermutete, hing das wohl mit ihrer Physiologie zusammen.
Aber wie auch immer, er fand die schrägen Liegen höchst unbequem, und er hatte nicht vor, sich an sie zu gewöhnen.
Als nächstes öffnete Sinclair den Schrank, um die wenigen Kleidungsstücke, die er mitgebracht hatte einzuräumen, und stutzte.
Im Kleiderschrank waren einige Hosen, Hemden und sonstige nützliche Kleidung wie Minbari sie trugen.
Ein Zettel, der in gestochen scharfer menschlicher Schrift geschrieben war, besagte, dass das alles ihm gehören solle.
Sinclair zuckte nur die Achseln und packte den Rest der wenigen Sachen aus, die er hatte mitbringen können.
Ein Foto von seiner Verlobten Cathrene Sakai, das er auf das Nachtkästchen stellte, eine Flasche mit kostbarem Whisky, ein Geschenk von Cathrene, ein paar Bücher, eine Flasche mit echtem, schwer zu bekommenden Ananassaft und sonstige Kleinigkeiten.
Dann endlich ging Sinclair duschen, wusch dabei auch gleich seine Kleidung und hing sie zum Trocknen auf.
Müde ließ er sich schließlich ins Bett fallen. Er war vollkommen erledigt - das war er in letzter Zeit eigentlich immer - und schlief sofort ein.
Fortsetzung: Kapitel 16
Jennifer Fausek
30.10.2002
Website von Jennifer Fausek
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