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Rhiannons Geschichte (2. Band):
27. Kapitel

(von Jennifer Fausek)

Die letzte Nacht in Yedor wurde für Botschafter Sinclair die bisher kürzeste hier auf Minbar überhaupt gewesen.
Als er nach dem Treffen mit dem Ältestenrat und dem Grauen Rat endlich in sein Quartier zurückkehrte, hatte er auf seinem Tisch Berichte über Menschen vorgefunden, die eventuell für die Anla'Shok geeignet waren.
Sinclair las die Aufzeichnungen und machte sich Notizen, bis er schließlich völlig erschöpft am Tisch auf seinem Meditationskissen einschlief...
"Oh nein, so nicht! Ich werde euch Bastarde in den Tod mitnehmen!"...
...Er stand in einem Kreis aus Licht. Er war von schattenhaften Gestalten umzingelt, die sich in der Dunkelheit bewegten.
Der Graue Rat trat lautlos ins Licht. Sie alle waren verhüllt. Eine Stimme erklang in der bedrückenden Stille.
"Der Rat wird sein Urteil verkünden."
Einer nach dem anderen schlug die Kapuze zurück. Delenn. Jenimer. Rathenn. Neroon. Shakiri. Venak. Inesval. Turval. Lennier.
Keiner sprach.
Delenn ging zu ihm und hielt ein Triluminary hoch. Der Stein begann zu glühen. Rechts von ihm stand nun Rhiannon als erwachsene Frau.
Sie hielt einen Spiegel in den Händen.
Als Sinclair hineinblickte, sah er, wie er sich langsam in einen Minbari verwandelte. Er war nun in eine braune Robe gekleidet.
Im Spiegel sah er plötzlich Kosh hinter sich. Sinclair wirbelte herum.
"Kosh!"
Aber es war nicht Kosh, sondern Ulkesh, der gerade außerhalb des Lichtkreises stand. Die Minbari waren mit einem Mal verschwunden.
"Du bist was wir sagen", erklang Ulkesh' Stimme.
Sinclair drehte sich zum Spiegel um, und es war wieder Kosh, den er hinter sich stehen sah.
"Vergiss nie wer du bist." Rhiannon hatte das zwar gesagt, aber es war Kosh' Stimme, mit der sie gesprochen hatte.
Sinclair riss den knöchernen Kranz an seinem Hinterkopf weg, und furchtbarer Schmerz durchzuckte ihn...

Eine Hand berührte ihn an der Schulter. Sinclair schreckte aus dem Schlaf hoch und fegte dabei einige Datenkristalle und lose Blätter vom Tisch.
Es war Rhiannon, die ihn geweckt hatte. Sie hatte sich zu ihm hinuntergebeugt und war ihm so näher, als ihm im Moment lieb war.
Ria sah ihn besorgt an und richtete sich auf. "Ist alles in Ordnung?"
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Sinclair aus seinem Traum fand. "Äh, ja, ja natürlich. Es geht mir gut. Wie spät ist es eigentlich?"
"Gleich fünf Uhr morgens nach minbarischer Zeit", antwortete sie. "Höchste Zeit aufzustehen. Es gibt heute noch viel zu tun."
Sinclair seufzte und streckte sich kurz. Dann hatte er kaum zwei Stunden geschlafen. "Na schön, ich komme."
Er hatte scheußliche Kopfschmerzen, die sich vor allem über den Hinterkopf erstreckten und sich bis in die Schläfen hinzogen.
Nachdem sie Jahrhunderte lang auf diesen Augenblick gewartet hatten, schienen es die Minbari plötzlich sehr eilig zu haben.
Rhiannon ließ Sinclair nicht die Zeit, um sich zu duschen oder wenigstens frische Kleidung anzuziehen. Sie brachte ihn gleich zum ersten Tempel von Yedor.
Dort stellte eine Heilerin namens Rakall eine Unmenge von Test mit ihm an, angeblich um so mehr über die menschliche Physiologie zu erfahren.
Danach kam sich Sinclair so vor, als hätte ihm die Heilerin duzende Liter Blut abgenommen. Er war noch nie in seinem Leben so gründlich untersucht worden.
Rhiannon brachte ihn dann zurück zu seinem Quartier und verschwand gleich darauf wieder. Sinclair las so viele Akten wie möglich, bis er erneut einschlief.
Als er erwachte wusste er nicht, wieviel Zeit vergangen war. Und wie lange würde es dauern, bis Ria kam, um ihn abzuholen? Wann wurde er zu den Anla'Shok gebracht?
Ein Klopfen an der Tür beantwortete diese Fragen. Rhiannon kam mit zwei Jungen, die beide Akolythen waren, herein, und in ihren Augen glitzerte es amüsiert.
"Es ist Zeit zu gehen."
Sinclair war klar, dass es nicht gut war, den Gewählten warten zu lassen. Aber weitaus schlimmer war es wohl, wenn er jetzt verschlafen aussah und zerknitterte, schlampig aussehende Kleidung trug. Er beneidete Rhiannon, die relativ frisch und ausgeruht wirkte.
"Geben Sie mir ein paar Minuten, damit ich mich noch duschen und umziehen kann", sagte Sinclair zu ihr.
Er fuhr sich über die Wangen, die mit Bartstoppeln bedeckt waren. "Und rasieren sollte ich mich auch."
"Das ist eine gute Idee", entgegnete Ria, ein wenig zu fröhlich.
Als Sinclair aus dem Bad zurückkam, waren die beiden Jungen verschwunden. Rhiannon wartete schon auf ihn. Über ihrem linken Arm hing ein Stapel Kleidung. In der anderen Hand trug sie ein Paar Stiefel.
"Da Sie heute als Anla'Shok Na vereidigt werden, sollten Sie von jetzt an auch die traditionelle Uniform des Oberhaupts der Anla'Shok tragen", verkündete Ria lächelnd.
Bisher hatte sich Sinclair geweigert, minbarische Kleidung anzuziehen, aber jetzt kam er wohl nicht mehr drum herum.
Die Kleidungsstücke sahen so ähnlich aus wie die, die Rhiannon trug. Sie bestanden aus einer schwarzen anschmiegsamen Hose, einem Hemd mit einer Kapuze und einer Weste mit Gurt, die zum Großteil aus einem kostbaren festen grauen Stoff gemacht worden war.
Im Gegensatz zu Ria trug Sinclair über diesen Sachen auch noch einen langärmligen Mantel mit großer Kapuze. Er war bodenlang und sah eher wie ein Umhang als ein Mantel. Er war in verschiedenen brauntönen gehalten und aus einem seidigen, glänzenden Stoff gefertigt.
Sinclair musste zugeben, dass die Kleider wirklich bequem waren. Auch die Stiefel waren angenehm zu tragen. Sie passten wie angegossen.
Sinclair vermutete, das die in schwarz und grau gehaltene Uniform, die auch Rhiannon für diesen besonderen Anlass trug, eine Gala- oder Ausgehuniform war. Sonst war Rias Kleidung nämlich immer braun und schwarz.
Als Sinclair in seine neue Uniform gekleidet aus dem Bad zurückkam, lächelte Ria anerkennend. Mit ein bisschen Wehmut packte er seine Kleidung von der Erde weg und verließ sein Quartier in Yedor nun zum letzten Mal.

Auf dem Weg nach Tuzanor erzählten Satai Jenimer und Rhiannon Sinclair abwechselnd die Geschichte der ,Stadt des Kummers'.
Der Ort lag südlich in einem hohen Tal des Tchok?an Gebirges, das sich über hunderte von Kilometern bis nach Yedor hinauf erstreckte und jene Stadt zum Teil umschloss.
"Das Wort ,Tuzanor' stammt aus der Sprache der religiösen Kaste, genauer gesagt aus dem Nas?en Dialekt", begann Jenimer. "In Ihre Sprache übersetzt bedeutet der Name soviel wie ,Stadt des Kummers'"
"Wie ist die Stadt zu ihrem Namen gekommen?" fragte Sinclair.
"In dunkler Zeit vor über tausend Jahren als Minbari noch Minbari bekämpften sind in einer Schlacht an nur einem Tag mehr als eine Million Minbari umgekommen, und zwar Männer, Frauen und Kinder", antwortete Ria nüchtern und drehte den Kopf leicht zu ihm, ohne ihn anzuschauen.
Sie steuerte den Flieger. "Das hat beide kriegführenden Parteien so erschreckt, dass sie nach einer friedlichen Lösung für ihre Differenzen suchten."
Jenimer nickte bestätigend. "Tuzanor wurde im Gedenken daran als Ort des Friedens und des Heilens erbaut. Die Stadt gilt als heilig. Es gibt viele Minbari, die eine Pilgerfahrt dorthin machen."
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. "Es heißt, Tuzanor sei Valens Lieblingsort auf Minbar gewesen."
"Es gibt eine Legende", sagte Rhiannon über ihre Schulter hinweg. "Es heißt, in der Stadt des Kummers zu träumen bedeutet von einer besseren Zukunft zu träumen."
Sinclair blickte überrascht auf, ging aber nicht weiter darauf ein. "Was halten die Leute von Tuzanor davon, dass bei ihrer heiligen Stadt eine Militärbasis liegt? Gibt es Probleme?"
Jenimer schüttelte den Kopf. "Nicht mit der Bevölkerung von Tuzanor. Aber einige Mitglieder der Kriegerkaste sind nicht damit einverstanden, dass die Anla'Shok an einem heiligen Ort wie Tuzanor ausgebildet werden. Sie denken, sie können dort nicht lernen zu kämpfen.
Ria lachte auf. "Ja. Fragt sich bloß, warum sie sich eigentlich so aufregen. Die Kriegerkaste verachtet die Anla'Shok. Für sie sind wir nichts weiter als ein Haufen nichtsnutziger Idealisten, die einer Legende verpflichtet sind. Und die Art und Weise, wie wir die Dinge handhaben gefällt ihnen auch nicht unbedingt."
"Wie meinen Sie das?" fragte Sinclair.
"Die Anla'Shok handeln im Verborgenen und kämpfen nur, wenn es nötig ist", antwortete Jenimer. "Das wird in der Kriegerkaste nicht gebilligt."
Sie flogen zwischen zwei hohen Bergen des Tchok?an Gebirges hindurch, deren Gletscher im Sonnenlicht hell strahlten. Vor ihnen tauchte Tuzanor auf.
,Die Stadt des Kummers' hatte ein ganz eigenes Flair. Die Gebäude waren alle uralt und aus Felsgestein gehauen.
Es gab hier kaum High Tech und auch keine Einflüsse aus der Außenwelt. Nirgends auf Minbar waren so viele Tempel gebaut worden wie in Tuzanor. Vor jedem lag ein hübscher kleiner Park, die alle sorgsam gepflegt waren.
Überall in der Stadt gab es natürliche Wasserfälle, Fontänen und Brunnen. Ein Netz aus kleinen Bächen durchzog alles. Schmale Brücken führten über die Flüsse. Außerhalb von Tuzanor gab es sogar zwei kleine Seen.
Sie machten einen kurzen Zwischenstopp in der ,Stadt des Kummers'. Rhiannon und Satai Jenimer machten mit Botschafter Sinclair einen Spaziergang durch die Stadt, um ihm diesen wundervollen Ort zu zeigen.
Wie Sinclair feststellte, waren die Leute von Tuzanor merklich weniger hektisch als die Bevölkerung in der Hauptstadt Yedor und mit Sicherheit sehr viel freundlicher.
Es überraschte ihn nicht, dass die Leute in den Straßen offenbar genau wussten, wer er war und welche Aufgabe er übernehmen würde.
Nach dem Spaziergang flogen sie weiter, zum Lager der Anla'Shok, das sich auf einem hohen Plateau oberhalb der Stadt befand.
Turval erwartete sie bereits. Sinclair bat ihn, ihm gleich die gesamte Einrichtung zu zeigen. Zu seinem Erstaunen erklärten sich Jenimer und Rhiannon sofort dazu bereit, ihn zu begleiten.
Die Anla'Shok-Basis war wirklich riesig und - wie eigentlich alles auf Minbar - unaufdringlich gebaut und perfekt an die Landschaft angepasst.
Es gab große komfortable Baracken, die insgesamt etwa neuntausend Personen beherbergen konnten. Im Moment wurde allerdings nur eins der neun Gebäude genutzt, und selbst das nur zu einem kleinen Teil.
Im Hintergrund waren drei prächtige Tempel zu sehen. Sie waren die höchsten Gebäude auf dem Gelände.
Es gab drei Trainingsfelder, inklusive kunstvoll ausgearbeiteter Hindernisparkure, außerdem spezielle Schießstände, Bereiche für das Überleben in der Wildnis, Überwachungstraining und für Übungen in kriegerischer Geschicklichkeit.
Im Freien waren verschiedene Gebiete für Zielübungen angelegt. Dann gab es noch neun große Flugfelder mit dazugehörenden Hangar, die - bis auf einen - aber verschlossen waren.
In der Mitte der Basis stand ein riesiges Gebäude, in dem diverse Klassenräume und Büros untergebracht waren, die wiederum in Gruppen von dreien und neunen unterteilt worden waren.
Nur ein einziges Gebäude stand ganz allein für sich. Es war deutlich kleiner als die anderen Bauten auf dem Gelände.
Dieses Haus wurde Sinclair als letztes gezeigt. Es würde von nun an sein Zuhause sein. Ria ging nicht mit ihnen in das Gebäude.
"Tut mir Leid, wenn ich Sie aus Ihrem Heim vertreibe", sagte Sinclair zu Satai Jenimer und Turval, während er sich umsah.
Die beiden Minbari sahen einander erstaunt an.
"Oh, wir haben beide nie hier gewohnt", erklärte der Gewählte. "Genaugenommen hat hier seit Valens Zeiten niemand mehr gelebt. Das Gebäude wurde nur sporadisch genutzt. Es ist allein für Entil'zha bestimmt."
Sinclair schüttelte den Kopf leicht. Es war unglaublich. Die Minbari hatten diesen Ort all die Zeit über instand gehalten.
Sie hatten tausend Jahre lang darauf gewartet, dass endlich wieder jemand hier einzog. Also wenn die Minbari von etwas mehr als genug hatten, dann war es Geduld.
"Ich dachte, ich würde..."
"Die Kriegerkaste sagte nur, dass Sie den Titel Entil'zha noch nicht verdienen", unterbrach Satai Jenimer ihn bestimmt. "Sie haben Ihnen nicht verboten hier zu wohnen. Sie sind, was Sie sind, ganz egal, was einige engstirnige Mitglieder der Kriegerkaste darüber denken mögen."
Sie ließen Sinclair alleine, damit er sich in seinem neuen Zuhause einrichten und sich mit allem vertraut machen konnte.
Sinclair brachte zwei schon zerfledderte Bücher in einen kleinen Raum, der offenbar sein Büro war. Die Computerkonsole war schon angeschlossen. In den Regalen lagen einige Texte. Die meisten handelten von den Anla'Shok und Valen.
Das Bild von seiner Verlobten Cathrene Sakai stellte er auf das Nachtkästchen in seinem Schlafzimmer. Er nahm sich vor, ihr so bald wie möglich eine Nachricht zu schicken. Sie wusste wahrscheinlich immer noch nicht, wo er jetzt war.
Sinclair kam das alles noch ganz unwirklich vor. Da erzählten ihm die Minbari so leichthin, die letzte Person, die hier gewohnt hatte, wäre Valen gewesen, eine der herausragendsten Persönlichkeiten in der Geschichte Minbars überhaupt.
Genauso gut hätten sie ihm sagen können, hier hätte früher König Artus oder Königin Hippolythe, die bedeutendste Führerin der Amazonen gelebt, aber jetzt gehöre ihm das alles.
Schließlich kam Rhiannon um ihn abzuholen. Er konnte ihre Ehrfurcht deutlich spüren, als sie sich umsah. "Der Gewählte, Satai Rathenn und Sech Turval erwarten Sie im Tempel."
"Rathenn ist auch hier?" fragte Sinclair erstaunt, denn der Satai war am Morgen nicht mit ihnen gemeinsam nach Tuzanor geflogen.
Ria nickte. "Er ist schon vor uns hier her gekommen. Er hat alles vorbereitet."
Auf dem Weg zum Treffen sagte sie: "Ich fürchte, wir haben da noch ein kleines Problem. Sech Duhran will den menschlichen Anla'Shok, außer meinem Mann und mir, keine Denn'boks überlassen."
Sinclair wusste nur allzu gut, was ein Denn'bok war. Es war der traditionelle minbarische Kampfstab, die von den Minbari immer noch gerne benutzt wurde.
In voller Größe war er etwa eineinhalb Meter lang und hatte einen Durchmesser von ungefähr fünf Zentimetern. Er bestand aus einem hellgrauen, sehr harten Material, dessen Zusammensetzung nur die Hersteller kannten.
Wenn es nicht gebraucht wurde, konnte das Denn'bok mit Hilfe eines speziellen Mechanismus zusammengeschoben werden und war dann nur noch zehn Zentimeter groß. So konnte es bequem verstaut werden.
Der Druckpunkt für diesen Mechanismus war generell mit einem Dreieck in dunkler Farbe gekennzeichnet, das gleichzeitig auch ein unverwechselbares und einzigartiges Erkennungsmerkmal war. Es zeigte, woher die Waffe stammte.
"Wer ist Duhran?" wollte Sinclair wissen.
"Er ist ein Meisterlehrer für den Umgang mit dem Denn'bok." Rhiannon zögerte. "Er war auch sehr lange Zeit mein Meister."
Sie neigte den Kopf leicht. "Eigentlich ist er immer noch mein Lehrer. Ich trainiere mit ihm, wann immer ich die Gelegenheit dazu habe."
Sinclair sah sie erstaunt an. Bisher hatte sie ihm nie irgendetwas erzählt, was sie persönlich betraf. "Das Band zwischen Lehrer und Schüler bleibt also auch nach der Ausbildung bestehen?"
"Ja, natürlich. Sie sind für immer unsere Lehrer, und dementsprechend behandeln wir sie auch mit Respekt."
Sie besann sich wieder. "Wie auch immer, ohne Sech Duhrans Erlaubnis darf niemand ein Denn'bok besitzen oder auch nur leihen. Aber die Anla'Shok müssen im Umgang mit dem Kampfstab unterrichtet werden, schon aus Tradition."
"Das ist bedauerlich, aber das dürfte im Moment nicht unser größtes Problem sein", meinte Sinclair. "Wir leben in einer Welt mit PPGs und Massenvernichtungswaffen, dagegen ist ein Denn'bok nur ein harmloses Spielzeug. Wenn wir keine Denn'boks bekommen, werden wir im Training eben hölzerne Stäbe benutzen."
Er spürte sofort, dass er sie jetzt eben furchtbar verärgert hatte.
"Ich bitte um Vergebung, wenn ich Anla'Shok Na verstimmt habe", sagte Ria mit eisiger Förmlichkeit, und Sinclair seufzte. Wenn sie begann von ihm in der dritten Person zu reden, war sie wirklich sehr aufgebracht. "Aber er wollte über alle Probleme auf dem laufenden gehalten werden."
Sie betraten den ersten der drei Tempel. Er war aus kristallinem Stein gebaut worden. Er hatte hohe Torbögen.
Die Fenster waren von innen heraus beleuchtet. Es gab in der Eingangshalle einige steinerne Bänke, aber sonst keine Möbel.
An der hinteren Wand der Halle stand eine imposante Statue von Valen. Sie zeigte ihn mit einem grimmigen Gesicht, und er trug die Uniform von Entil'zha.
Bei dieser Statue standen Jenimer, Rathenn, Turval... und Ulkesh, der diesem Treffen offenbar ebenfalls beiwohnen wollte.
"Das Denn'bok ist nicht nur irgendeine Waffe", fuhr Ria fort. "Gestatten Sie mir eine Demonstration?"
Sinclair nickte den Anwesenden zu.
"Ja, zeig es ihm", antwortete Jenimer, der Rias letzte Worte gehört hatte.
Sie winkte zwei Geistliche herbei. Auf ihre Bitte hin brachten sie ein kräftiges Stück Holz, das sogar stabiler war als der Oberschenkelknochen eines Menschen.. Die beiden Minbari hielten das Holz jeweils am Ende fest.
Rhiannon verneigte sich. Dann gab es ein metallenes Geräusch. Im nächsten Moment war das Krachen von Holz zu hören. Sinclair sah, dass das kräftige, stabile Holz einfach zerbrochen war.
"Und? Denken Sie immer noch, dass das Denn'bok ein Spielzeug ist?" Ria blickte ihn grimmig an und steckte ihre Waffe weg.
"Wäre das Holz Ihr Oberschenkel gewesen, hätten Sie nun einen komplizierten Trümmerbruch. Hätte ich Sie mit diesem Schlag am Kopf oder am Hals getroffen, wären Sie jetzt tot.
Mag sein, es ist sehr schwierig, mit dem Kampfstab etwas gegen eine PPG auszurichten. Aber im Nahkampf ist er von großen Nutzen. Mir hat er schon des öfteren gute Dienste geleistet."
Sinclair nickte, während er das zertrümmerte Holz betrachtete. "Na schön. Ich werde so bald wie möglich mit Sech Duhran sprechen."
Die beiden Geistlichen verneigten sich und gingen.
"Ich danke Ihnen, Anla'Shok Na." Rhiannon war zufrieden.
Nun trat Jenimer vor. "Wenn ein Neuling den Anla'Shok beitritt, gibt es eine kleine offizielle Willkommensfeier.
Wird aber ein neuer Anla'Shok Na eingesetzt, geschieht das in aller Stille. Die Ernennung findet bei der Statue des ersten Anla'Shok Na und Entil'zha im Tempel statt. Die Zeremonie muss stattfinden, bevor das neue Oberhaupt die Anla'Shok begrüßt." Er sah zu Rhiannon, die immer noch hier war. "Du darfst bleiben."
Sie lächelte glücklich, und Jenimer fuhr fort: "Von Beginn an sah das Abzeichen der Anla'Shok folgendermaßen aus: Ein perfektes Isil?zah Juwel das mit Gold und Silber eingefasst ist. Die Fassung ist wie die Hände des jeweiligen Anla'Shok geformt. So sieht es aus, als würden sie das Isil?zah oder, in ihre Sprache übersetzt die Zukunft, tragen.
Die Brosche wird über einer weißen, sehr heißen Flamme zusammengefügt. Dann wird sie gekühlt, erst in zwei Bottichen mit heiligem Wasser, und zum Schluss wird ein wenig Blut der Trägerin oder des Trägers über dem Abzeichen vergossen.
Doch nun ist eine neue Zeit angebrochen, und das muss auch am Abzeichen der Anla'Shok zu sehen sein.
Jeffrey Sinclair, Sie werden nun dieses neue Abzeichen der Anla'Shok bekommen. Es besteht nach wie vor aus einem perfekten Isil?zah Juwel.
Aber nun soll die Fassung auf der einen Seite eine menschliche und auf der anderen eine minbarische Gestalt zeigen, die oben miteinander verschmelzen. Das soll die Verbundenheit von Menschen und Minbari symbolisieren.
Das Abzeichen wurde wie früher über einer weißen sehr heißen Flamme hergestellt. Es wurde dann in einem Trog mit heiligem Wasser gekühlt. Anschließend wurde erst minbarisches und dann menschliches Blut darüber vergossen.
Und jetzt: In Valens Namen, hiermit erkläre ich Sie zu Anla'Shok Na."
Damit steckte Jenimer das Abzeichen an Sinclairs Uniform.
Der frischgebackene Anla'Shok Na verneigte sich höflich, doch in ihm war eine große Unruhe. Er war noch nie ein Freund pompöser Zeremonien gewesen. "Ich fühle mich sehr geehrt, aber ich schlage vor, dass wir nun endlich an die Arbeit gehen."
Offenbar hatte er damit genau das Richtige gesagt. Jenimer, Rathenn, Turval und Rhiannon strahlten fröhlich. Ulkesh sagte nichts. Ria lief schon voraus.
"Die gesamten Anla'Shok sind bereits angetreten", verkündete Turval, während er mit Sinclair und Rathenn aus dem Tempel trat. Jenimer und Ulkesh blieben zurück.
Nach einem kurzen Blick auf die wenigen stramm und in Formation stehenden Minbari und die bisher beiden einzigen menschlichen Anla'Shok sah sich Sinclair verwundert um. Er fragte sich, ob die anderen außerhalb seines Sichtfeldes befanden.
Doch außer den Leuten vor ihm war sonst niemand mehr hier. Nur vierunddreißig der ursprünglichen achtundsiebzig Anla'Shok waren noch da.
"Das muss ich Ihnen noch sagen." Rathenn seufzte. "Die Oberhäupter der Kriegerkaste haben einen Befehl für alle ihre Leute erlassen, sofort von den Anla'Shok zurückzutreten, obwohl so etwas normalerweise niemand tut.
Aber sie dürfen natürlich gehen, wenn sie wollen und ihr Gewissen es ihnen befiehlt. Ich fürchte, einige sind diesem Befehl nur allzu bereitwillig gefolgt.
Andere werden es nicht gewagt haben, einen direkten Befehl zu missachten. Es tut mir leid, aber diese vierunddreißig Leute sind alles, was wir im Moment haben."
"Rührt euch", befahl Sinclair den versammelten Rangers.
Er wusste nicht, was er sonst hätte sagen oder tun können. Nur eines war klar: Leute zu rekrutieren hatte jetzt höchste Priorität.
Fragte sich nur, wer so verrückt war sich auf diese wahnwitzige und vorallem gefährliche Aufgabe einzulassen.
Ganz offenbar schienen die Anla'Shok diesen Befehl nicht zu kennen, jedenfalls nicht auf Erdstandard. Dabei war ihm ausdrücklich versichert worden, dass alle Rangers die Sprache der Menschen beherrschten.
Aber außer Rhiannon und William, der seine Ausbildung gerade erst abgeschlossen hatte, standen alle noch stramm und starrten auf einen Punkt über seinem Kopf.
Es war, als würde er mit Statuen sprechen. Und Sinclair fiel der minbarische Ausdruck für diesen Befehl nicht ein.
",Rührt euch' bedeutet, ihr könnt euch entspannen", erklärte Sinclair auf minbari, im Dialekt der Kriegerkaste. "Und ich möchte, dass ihr mich anseht."
Wieder bewegte sich keiner der Minbari, aber einige schauten verstohlen nach links oder rechts, als wollten sie herausfinden wie die anderen reagieren. Sie schienen nicht genau zu wissen, was sie jetzt tun sollten.
"Das war ein Befehl", sagte Sinclair nachdrücklich.
Darauf entspannten sich auch die Minbari, zumindest ein bisschen. Zögernd richteten sie den Blick auf ihn.
"Danke." Sinclair lächelte dünn und ging ein paar Schritte. "Ich bin Jeffrey Sinclair, und es ist ein Ehre für mich, dass ich gebeten wurde als euer Anla'Shok Na - oder in meine Sprache übersetzt Ranger Eins - zu dienen.
Ich danke euch, dass ihr euch entschieden habt, hier zu bleiben, um mit mir zu arbeiten. Das ist ein großer Vertrauensvorschuss. Ich verspreche euch, ich werde alles tun, um mich dieses Vertrauens als würdig zu erweisen."
Mehr gab es nicht zu sagen, außer: "Wegtreten!"
Wieder sahen sich die Anla'Shok an. Als sie zu dem Schluss kamen, dass die Versammlung nun zu Ende war, gingen sie unsicher davon.
Nach diesem frustrierenden Beginn kehrte Sinclair in sein Quartier zurück. Immerhin lag noch eine Menge Arbeit vor ihm.
Als er an diesem Abend zu Bett ging, erinnerte er sich an das, was Jenimer und Rhiannon ihm erzählt hatten, nämlich, dass in der Stadt des Kummers zu träumen bedeutete, von einer besseren Zukunft zu träumen.
Sinclair hoffte wirklich, dass seine Träume von einer besseren Zukunft handelten und nicht von einer leidvollen Vergangenheit.
Als er am nächsten Morgen erwachte, wusste er zwar, dass er geträumt hatte, aber er konnte sich nicht mehr daran erinnern was es gewesen war.


Fortsetzung: Kapitel 28


Jennifer Fausek
30.10.2002
Website von Jennifer Fausek

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